Standardwerk

Werk, über dessen Inhalte innerhalb des jeweiligen Wissensgebiets ein breiter fachinterner Konsens besteht

Standardwerk (oder Standardliteratur) ist die Bezeichnung für Werke, über deren Bedeutung innerhalb des jeweiligen Wissensgebiets ein breiter fachinterner Konsens besteht. Sie bilden entweder die communis opinio oder aber eine besonders einflussreiche Denkrichtung ab und gelten als unverzichtbarer Referenzpunkt bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit einem bestimmten Thema.

Funktion

Die allgemein anerkannten Inhalte von Standardwerken sichern die Kontinuität des Fachgebiets. Standardwerke „leisten eine gegenstandsbezogene Reduktion des Fachwissens“[1] und ermöglichen eine einfachere „Teilnahme an der Kommunikation“ des Fachs.[2] Sie erfüllen dadurch eine wichtige Funktion für die Kanonisierung von Wissen, da sie eine Verbindung zu Institutionen schaffen, „die das kanonisierte Wissen in ihre lebensweltlichen Zusammenhänge transferieren“.[1] Darüber hinaus erfüllt Standardliteratur bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten einen zentralen Zweck. Sie dient dazu, Grundlagen bei dem bearbeiteten Fachgebiet darzustellen, auf die dann – zum Beispiel über vertiefende Literatur, aktuelle Ergebnisse aus dem Internet oder auch (selbst durchgeführte) empirische Analyse – aufgebaut werden kann. Dies gilt auch dann, wenn man von der communis opinio abzuweichen gedenkt. Darum ist es bei jeder wissenschaftlichen Arbeit grundlegende Voraussetzung, auf einer möglichst breiten (was nicht unbedingt heißen muss: quantitativ großen) Basis an Standardliteratur aufzubauen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Qualität der zugrunde gelegten Literatur.

Beispiele

Eines der frühesten Standardwerke war das im März 1776 von Adam Smith erschienene Buch Der Wohlstand der Nationen, mit dem die heutige Volkswirtschaftslehre begründet wurde.[3] Beispielsweise wird das seit 1915 in 24 Auflagen veröffentlichte Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache als Standardwerk der deutschen Sprachwissenschaft bezeichnet und als das Standardwerk der Etymologie der deutschen Sprache.[4] In der Orientalistik gilt das Arabische Wörterbuch von Hans Wehr, ein umfangreiches arabisch-deutsches Wörterbuch, als ein Standardwerk, sogar außerhalb des deutschsprachigen Raumes.[5] In der Mathematik wird das Buch Algebraic Geometry von Robin Hartshorne als Standardwerk der modernen algebraischen Geometrie angesehen.[6] Alle drei Werke sind in ihren Fachgebieten unter den Namen ihrer Autoren bekannt, das etymologische Wörterbuch als „der Kluge“, nach seinem ersten Bearbeiter Friedrich Kluge, das arabische Wörterbuch als „der Wehr“, das mathematische Lehrbuch als „der Hartshorne“ oder „das Buch von Hartshorne“.

ErstausgabeAutoren / HerausgeberBuchtitelFachgebietISBN
1776Adam SmithDer Wohlstand der Nationen (englisch An Inquiry into the Nature
and Causes of the Wealth of Nations
)
VolkswirtschaftslehreISBN 978-3-7306-0018-4
1857Akademischer Verein HütteHütte – Des Ingenieurs TaschenbuchIngenieurwesenISBN 978-3-433-00562-0
1883Friedrich KlugeEtymologisches Wörterbuch der deutschen SpracheEtymologieISBN 978-3-11-017473-1
1894Willibald PschyrembelPschyrembelMedizinISBN 978-3-11-078334-6
1900Arnold F. HollemanLehrbuch der Anorganischen Chemieanorganische ChemieISBN 978-3-11-017770-1
1914Heinrich DubbelTaschenbuch für den MaschinenbauMaschinenbauISBN 978-3-642-17305-9
1936Ernst NeufertBauentwurfslehreBauplanungISBN 978-3-658-21876-8
1938Otto PalandtPalandt: Kurzkommentar zum BGBRechtswissenschaftISBN 978-3-406-80470-0
1947Hermann RömppRömpp Lexikon ChemieChemieISBN 978-3-13-734610-4
Ab 1950Lew Landau und Jewgeni LifschizLehrbuch der theoretischen PhysikPhysikMehrere Ausgaben, u. a. in der DDR im Akademie Verlag; ins Englische bei Pergamon Press/Butterworth-Heinemann; Weiterhin verfügbar bei Europa-Lehrmittel
1960Günter WöheEinführung in die Allgemeine BetriebswirtschaftslehreBetriebswirtschaftslehreISBN 978-3-8006-4687-6
1969Simon SzePhysics of Semiconductor Devices; später auch auf Deutsch verfügbar: Physik der HalbleiterbauelementeElektrotechnik / Halbleitertechnik1. Auflage 1969; 4. Aufl. 2021 (auch Deutsch), siehe die Profilseite für Details.
1969K. H. Lieser und später J. V. KratzEinführung in die Kernchemie; später nur in Englisch verfügbar: Nuclear and RadiochemistryChemie / Physik1. Aufl. 1969; 4. Aufl. Englisch ISBN 978-3-527-34905-0

Durch Tod der Autoren der Erstausgaben haben weitere Autoren bei nachfolgenden Auflagen für die Fortführung, Aktualisierung und Weiterentwicklung der Werke gesorgt. So gibt es beim „Wöhe“ als Nachfolger Ulrich Döring und Gerrit Brösel. Der BGB-Kommentar von Otto Palandt wurde im Dezember 2021 mit der 81. Auflage in „Grüneberg“ (nach Christian Grüneberg) umbenannt.

Benennung

Standardwerke sind in ihren Fachgebieten häufig unter den Namen ihrer Autoren bekannt. Die Bezeichnung eines Standardwerks nach dem Familiennamen seines ursprünglichen Verfassers oder Bearbeiters wird wegen ihrer Bekanntheit (und zur Ehrung des betreffenden Wissenschaftlers) meist auch dann beibehalten, wenn das Werk in der Zwischenzeit so grundlegend überarbeitet wurde (womöglich sogar mehrmals), dass eigentlich nur noch sehr wenig vom ursprünglichen Inhalt vorhanden ist und daher kaum noch etwas vom namensgebenden Verfasser stammt.

Referenzwerke

Neben den oben genannten Beispielen existieren in verschiedenen Fachdomänen sog. Referenzwerke. Diese Serien umfassen teilweise weit mehr als 20 Bände und werden häufig auch als Enzyklopädien betitelt. Einige Beispiele folgen.

Viele weitere „Standardserien“ existieren, darunter sehr viele „Handbuchserien“ oder einzelne Handbücher, die als Referenzen in ihrem Fachgebiet gelten.

Einzelnachweise