Parlamentswahl in Spanien 2016
Die Parlamentswahl in Spanien 2016 fand am 26. Juni statt, um die beiden Kammern des Parlaments (Cortes Generales) zu erneuern. Gewählt wurden die 350 Abgeordneten des Abgeordnetenhauses (Congreso de los Diputados) und 208 der 266 Mitglieder des Senats (Senado) für die XII. Legislaturperiode seit dem Inkrafttreten der Verfassung von 1978. Es handelte sich um eine vorzeitige Neuwahl, nachdem nach den Wahlen vom 20. Dezember 2015 erstmals keine Regierungsbildung gelungen war.
Auch die Wahl 2016 brachte keine klaren Mehrheitsverhältnisse, sodass sich eine Regierungsbildung erneut schwierig gestaltete. Erst am 29. Oktober 2016 wurde Mariano Rajoy zwei Tage vor Ablauf der Frist für erneute Neuwahlen vom Parlament an der Spitze einer Minderheitsregierung, die von Ciudadanos unterstützt und von den Sozialisten toleriert wurde, erneut zum Ministerpräsidenten gewählt.[2]
Ausgangslage
Die spanische Parlamentswahlen 2015 beendeten das Zwei-Parteien-System in Spanien. Die regierende Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy verlor über ein Drittel ihres Stimmanteils, blieb aber mit 28,7 % stärkste Partei. Die oppositionelle sozialdemokratische PSOE verlor ebenfalls Stimmen und blieb mit 22 % zweitstärkste Kraft. Die 2014 gegründete linke Podemos blieb mit 21 % nur knapp hinter der PSOE, während die wirtschaftsliberale Ciudadanos 14 % der Stimmen erreichte. Neben diesen vier großen Parteien zogen diverse Regionalparteien, insbesondere katalanische und baskische, in die beiden Kammern des Parlaments ein.
Außer einer großen Koalition aus PP und PSOE, die beide Parteien ausschlossen, war damit kein Zweierbündnis für die Regierungsbildung möglich. Podemos und Ciudadanos schlossen eine Zusammenarbeit aus. Die Unterstützung durch die katalanischen Regionalparteien knüpften diese an die Zustimmung zu einem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum – was alle großen Parteien außer Podemos verweigerten.
Eine Regierungsbildung gelang nicht, weshalb das am 20. Dezember 2015 gewählte Parlament gemäß Art. 99.5 der Verfassung mit Dekret vom 3. Mai 2016[3] aufgelöst und Neuwahlen für den 26. Juni 2016 anberaumt wurden.
Wahlverfahren
Kongress
Gemäß Artikel 68 Absatz 2 der Verfassung und Artikel 162 des Wahlgesetzes gehören dem Kongress 350 Abgeordnete an, die in 52 Wahlkreisen gewählt werden. Wahlkreise sind die 50 Provinzen und die beiden Autonomen Städte Ceuta und Melilla. In Ceuta und Melilla wird jeweils ein Abgeordneter gewählt. Jede der 50 Provinzen erhält vorab zwei Mandate zugeteilt. Die restlichen 248 Abgeordneten werden den Provinzen nach dem Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen nach dem Hare/Niemeyer-Verfahren zugeteilt.
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/ec/Diputados_por_circunscripci%C3%B3n_%28elecciones_al_Congreso_de_los_Diputados%2C_2016%29.svg/220px-Diputados_por_circunscripci%C3%B3n_%28elecciones_al_Congreso_de_los_Diputados%2C_2016%29.svg.png)
In den Provinzen wurden folgende Anzahlen von Abgeordneten gewählt:
- Provinz Madrid: 36 Abgeordnete
- Provinz Barcelona: 31 Abgeordnete
- Provinz Valencia/València: 16 Abgeordnete
- Provinzen Alicante/Alacant, Sevilla: je 12 Abgeordnete
- Provinz Málaga: 11 Abgeordnete
- Provinz Murcia: 10 Abgeordnete
- Provinz Cádiz: 9 Abgeordnete
- Provinzen Asturien, Balearen, Bizkaia, A Coruña und Las Palmas: je 8 Abgeordnete
- Provinzen Granada, Pontevedra, Santa Cruz de Tenerife und Zaragoza: je 7 Abgeordnete
- Provinzen Almería, Badajoz, Córdoba, Guipuzkoa, Girona, Tarragona und Toledo: je 6 Abgeordnete
- Provinzen Kantabrien, Castellón/Castelló, Ciudad Real, Huelva, Jaén, Navarra und Valladolid: je 5 Abgeordnete
- Provinzen Albacete, Araba/Álava, Burgos, Cáceres, León, Lleida, Lugo, Ourense, La Rioja und Salamanca: je 4 Abgeordnete
- Provinzen Ávila, Cuenca, Guadalajara, Huesca, Palencia, Segovia, Teruel und Zamora: je 3 Abgeordnete
- Provinz Soria: 2 Abgeordnete
- Autonome Städte Ceuta und Melilla: je 1 Abgeordneter
Die Wahl erfolgt in den Provinzen nach geschlossenen Listen, wobei die Sitze auf die Listen jeweils nach dem D’Hondt-Verfahren zugeteilt werden. In den autonomen Städten werden die Abgeordneten in relativer Mehrheitswahl ermittelt.
Die Zuteilung der Sitze findet allein auf Ebene der Wahlkreise (Provinzen) statt, es gibt keinen Reststimmenausgleich auf nationaler Ebene. Die nominelle Sperrklausel liegt zwar in allen Wahlkreisen bei lediglich 3 %. In den meisten Wahlkreisen liegt die faktische Prozenthürde wegen der beschränkten Anzahl der zu vergebenden Mandate allerdings wesentlich höher.
Senat
Für den Senat werden gemäß Artikel 69 der Verfassung und Artikel 165 des Wahlgesetzes in jeder Festlandprovinz vier Senatoren, auf den Inseln Gran Canaria, Mallorca und Teneriffa je drei Senatoren, in den Autonomen Städten Ceuta und Melilla je zwei Senatoren sowie auf den Inseln bzw. Inselgruppen Ibiza-Formentera, Menorca, Fuerteventura, Gomera, Hierro, Lanzarote und La Palma je ein Senator gewählt. Insgesamt werden damit 208 Senatoren direkt gewählt.
Es war eine Personenwahl. Der Wähler kann in den Viermann-Wahlkreisen für bis zu drei, in den Drei- und Zweimannwahlkreisen für bis zu zwei und in den Einmannwahlkreisen für einen Kandidaten stimmen und zwar auch verteilt auf mehrere Wahlvorschläge ("Panaschieren"). Gewählt werden die Kandidaten mit den höchsten Stimmenzahlen.
Die weiteren Senatsmitglieder werden durch die Parlamente der Autonomen Gemeinschaften bestimmt, wobei jedes Parlament je angefangener 1.000.000 Einwohner der jeweiligen Gemeinschaft einen Senator bestimmt.
Kandidaturen
Die von den Wahlausschüssen zugelassenen Wahlvorschläge wurden am 31. Mai 2016 im Staatsbulletin (Boletín Oficial del Estado) veröffentlicht.[4]
Linksparteien (Podemos, IU, Equo, En Comú Podem, En Marea, Compromís)
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/1c/Podemos_2016.svg/220px-Podemos_2016.svg.png)
Bereits bei der Wahl 2015 waren die traditionelle Linkspartei Izquierda Unida (IU) und die neue Linkspartei Podemos in Katalonien und Galicien als Teil der Gemeinschaftskandidaturen En Comú Podem bzw. En Marea zusammen angetreten, in den anderen Wahlkreisen hatten sie jedoch gegeneinander kandidiert. Für die Wahl 2016 bildeten IU und Podemos zusammen mit der grünen Partei Equo die Gemeinschaftskandidatur Unidos Podemos. Diese tritt landesweit außer in Katalonien, Galicien und in der Region Valencia an. In Katalonien und Galicien wurden die Gemeinschaftskandidaturen En Comú Podem und En Marea neu aufgelegt. In der Region Valencia trat die IU dem für die Wahl 2015 gebildeten Wahlbündnis Podemos-Compromís bei. Bei der Wahl 2016 werden daher Podemos und IU in keinem Wahlkreis gegeneinander antreten. Spitzenkandidat von Unidos Podemos ist der Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias. Alberto Garzón (Spitzenkandidat der IU bei der Wahl 2015) belegt Platz 5 auf der Liste für den Wahlkreis Madrid.
PP und Gemeinschaftskandidaturen
Für die konservative PP tritt als Spitzenkandidat erneut Ministerpräsident Mariano Rajoy an. Es bestehen dieselben Gemeinschaftskandidaturen wie bei der Wahl 2015: mit der UPN in Navarra, mit PAR in Aragonien und mit FAC in Asturien.
PSOE
Spitzenkandidat der sozialdemokratischen PSOE war wie bei der Wahl 2015 Pedro Sánchez. Wie 2015 bestand auf den Kanaren eine Gemeinschaftskandidatur mit Nueva Canarias (NCa). Die PSOE-Führung lehnte Bestrebungen einzelner Regionalverbände ab, für die Wahl zum Senat Gemeinschaftskandidaturen mit Podemos und den übrigen Linksparteien zu bilden.
Ciudadanos
Wie bei der Wahl 2015 war Albert Rivera Spitzenkandidat von Ciudadanos.
Katalanische Parteien
Die Gemeinschaftskandidatur Democràcia i Llibertat (Wahl 2015) wurde nicht neu aufgelegt, vielmehr trat die bürgerliche CDC allein an.
Wahlbündnisse
Liste | Regionale Listen | Parteien | Autonome Gemeinschaft |
---|---|---|---|
Partido Popular | Partido Popular – Partido Aragonés[5] | Aragonien | |
Partido Popular – Foro de Ciudadanos[6] | Asturien | ||
Partido Popular – Unión del Pueblo Navarro[7] | Navarra | ||
Partido Socialista Obrero Español | Partido Socialista Obrero Español – Nueva Canarias[8] | Kanarische Inseln | |
Unidos Podemos | Compromís – Podemos – EUPV: A la Valenciana[9] | Podemos | Valencia |
Compromís
| |||
EUPV | |||
En Marea[10] | Podemos | Galicien | |
Anova | |||
Esquerda Unida | |||
En Comú Podem – Guanyem el Canvi[11] | Podemos | Katalonien | |
Esquerra Unida i Alternativa | |||
Iniciativa per Catalunya Verds | |||
En Comú Podem | |||
Barcelona En Comú | |||
Unidos Podemos[12] | Podemos – IU – Equo – Batzarre | Navarra | |
Podemos – IU – Equo – CLIAS | Madrid; Kastilien und León, nur Zamora | ||
Podemos – IU – Equo – Segoviemos | Kastilien und León, nur Segovia | ||
Podemos – IU – Equo – IZCA | Kastilien und León, nur Villadolid | ||
Podemos – IU – Equo – Izquierda Asturiana | Asturien | ||
Podemos – EUIB – MÉS (Més – MxMe) | Balearische Inseln | ||
Podemos – IU – Equo | Andere | ||
Esquerra Republicana de Catalunya – Catalunya Sí[13] | Katalonien | ||
Sobirania per a les Illes[14] | Esquerra Republicana de Mallorca | Balearische Inseln | |
Acord Independentista | |||
BNG – Nós Candidatura Galega[15] | Bloque Nacionalista Galego | Galicia | |
Fronte Obreira Galega | |||
Partido Comunista do Pobo Galego | |||
Recortes Cero – Grupo Verde[16] | Los Verdes – Grupo Verde | – | |
Unificación Comunista de España | |||
Geroa Bai[17] | Eusko Alderdi Jeltzalea | Navarra | |
Atarrabia Taldea | |||
Ciudadanos de Centro Democrático – Candidatura Independiente[18] | Ciudadanos de Centro Democrático | Kastilien und León | |
Partido de Castilla y León – Candidatura Independiente | |||
Quellen: Wahlbündnisse, Junta Electoral Central – Juntas Electorales Provinciales |
Ergebnis
Abgeordnetenhaus
Klarer Wahlsieger ist zwar die konservative PP von Ministerpräsident Rajoy. Allerdings stellt sich die Ausgangslage für eine Regierungsbildung ganz ähnlich dar wie nach der Wahl 2015. Außer einer großen Koalition (PP/PSOE) würde keine der denkbaren Zweiparteien-Koalitionen (PP/Ciudadanos, PSOE/Podemos, PSOE/Ciudadanos) über eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügen.
Die PSOE konnte – entgegen den meisten Vorwahlumfragen – ihren zweiten Platz vor Unidos Podemos behaupten, verlor aber fünf Sitze.
Die Kandidaturen der Linksparteien (Unidos Podemos, En Comú, En Marea, Podemos-Compromís-EUPV) verloren gegenüber dem zusammengerechneten Ergebnis der Podemos-Kandidaturen und IU bei der Wahl 2015 zwar gut 3 % und wären damit eigentlich der klare Verlierer der Wahl. Dass sie dennoch die 71 Sitze halten konnten, die diese Parteien bei der Wahl 2015 errungen hatten, ist maßgeblich dem Wahlsystem geschuldet, das kleine landesweit antretende Parteien (darunter fiel 2015 noch die IU) benachteiligt. Durch die Gemeinschaftskandidatur konnte dieser Effekt bei der Wahl 2016 verhindert werden.
Ciudadanos wurde allerdings bei der Wahl 2016 von diesem Effekt des Wahlsystems erfasst. Die nur leichten Verluste (0,89 %) führten zu einer Einbuße von acht Abgeordnetenmandaten. Der Stimmenanteil von 13 % führte zu einem Mandatsanteil von nur 9 %.
Den Regionalparteien (ERC, CDC, PNV, EH Bildu, Coalición Canaria) gelang der Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus, überwiegend in ihrer bisherigen Stärke. Lediglich die PNV verlor einen Sitz.
Listen | Stimmen | Mandate | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Anzahl | % | +/- | Anzahl | +/- | ||
Partido Popular (PP)a | 7.941.236 | 33,0 | +4,3 | 137 | +14 | |
Partido Socialista Obrero Español (PSOE)b | 5.443.846 | 22,6 | +0,6 | 85 | −5 | |
| 5.087.538 | 21,2 | −3,3 | 71 | ±0 | |
Ciudadanos (C's) | 3.141.570 | 13,1 | −0,9 | 32 | −8 | |
Esquerra Republicana de Catalunya – Catalunya Sí | 632.234 | 2,6 | +0,2 | 9 | ±0 | |
Convergència Democràtica de Catalunya (CDC)d | 483.488 | 2,0 | −0,2 | 8 | ±0 | |
Eusko Alderdi Jeltzalea (EAJ-PNV) | 287.014 | 1,2 | ±0,0 | 5 | −1 | |
Partido Animalista Contra el Maltrato Animal (PACMA) | 286.702 | 1,2 | +0,3 | – | ±0 | |
EH Bildu | 184.713 | 0,8 | −0,1 | 2 | ±0 | |
Coalición Canaria - Partido Nacionalista Canario (CCa-PNC) | 78.253 | 0,3 | ±0,0 | 1 | ±0 | |
Recortes Cero – Grupo Verde | 51.907 | 0,2 | ±0,0 | – | ±0 | |
Unión Progreso y Democracia (UPyD) | 50.247 | 0,2 | –0,4 | – | ±0 | |
Vox | 47.182 | 0,2 | ±0,0 | – | ±0 | |
BNG–Nós Candidatura Galega (BNG – FOGA – PCPG) | 45.252 | 0,2 | ±0,1 | – | ±0 | |
Partido Comunista de los Pueblos de España | 26.627 | 0,1 | ±0,0 | – | ±0 | |
Geroa Bai (EAJ-PNV – AT) | 14.343 | 0,1 | −0,1 | – | ±0 | |
Escaños en Blanco | 11.669 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Falange Española de las JONS | 9.909 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Ciudadanos de Centro Democráticoe | 8.945 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Sobirania per a les Illes (ERM – Acord Independentista) | 7.418 | 0,0 | Neu | – | Neu | |
Som Valencians | 6.647 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Solidaridad y Autogestión Internacionalista | 3.110 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Partido Humanista | 3.012 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Los Verdes Ecopacifistas | 3.011 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Partido Libertario | 2.996 | 0,0 | ±0,0 | – | ±0 | |
Sonstige < 0,01 % | 15.805 | 0,1 | ±0,0 | – | ±0 | |
Votos en blancof | 179.081 | 0,7 | ±0,0 | – | – | |
Gesamt | 24.053.755 | 100 | 350 | – | ||
Ungültige Stimmen | 225.504 | 0,9 | ±0,0 | |||
Wähler | 24.279.259 | 66,5 | –3,2 | |||
Wahlberechtigte | 36.520.913 | |||||
Quellen: Junta electoral central – Ministerio del interior |