PURA-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10 | |
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Q93.5 | PURA-Syndrom Sonstige Deletionen eines Chromosomenteils |
G40.4 | PURA-bedingtes schweres neonatales Hypotonie-Krampf-Enzephalopathie-Syndrom |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
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Das PURA-Syndrom (PURA-bedingte neurologische Entwicklungsstörung, englisch PURA-related neurodevelopmental disorder, PURA-related severe neonatal hypotonia-seizures-encephalopathy syndrome) ist eine seltene und vor einiger Zeit neu entdeckte Erbkrankheit, die gekennzeichnet ist durch Entwicklungs- und Sprachverzögerung, neonatale Hypotonie, Wachstumsstörung, übermäßige Schläfrigkeit, Epilepsie und andere Anomalien.[1]
Beschreibung
Patienten mit dieser Störung (in der Regel Kinder, aber auch Erwachsene) zeigen in der Regel folgende Symptome:[2][3][4]
- ausgeprägt verzögerte Entwicklung
- verlangsamtes Sprechen
- Gleichgewichtsstörungen und Gehschwierigkeiten (Betroffene lernen das Gehen möglicherweise später als der Durchschnitt oder werden sogar nie gehfähig)
- Hypotonie
- Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme (mit Dysphagie, d. Schluckstörung als eine der Ursachen)
- Epilepsie
- Exzessive Tagesschläfrigkeit
- Chronische Hypothermie (Unterkühlung)
- Apnoe (Atemstillstand)
- Hypoventilation
- Kyphose und Skoliose (verschiedene formen der Wirbelsäulenverkrümmung)
- Sehstörungen, insbesondere Strabismus (Schielen) und Nystagmus (Augenzittern)
Atemprobleme verschwinden oft nach dem ersten Lebensjahr.
Ursachen
Diese Störung wird durch Mutationen im PURA-Gen auf Chromosom 5 verursacht (Deletion 5q31.3).Dieses auch als MRD31, PUR-ALPHA, PURALPHA oder PUR1 bezeichnete Gen kodiert für das „Purin-reiche-ssDNA bindende Protein alpha“ (englisch purine-rich single-stranded DNA-binding protein alpha, alias purine rich element binding protein A), auch Transkriptionsaktivator-Protein Pur-alpha (transcriptional activator protein Pur-alpha).[5][6][7][8][9]
Dieses Gen ist essentiell für die Bildung des Aktivator-Proteins Pur-alpha, das die Aktivität verschiedener anderer Gene steuert, und außerdem für die Replikation von Genen unerlässlich ist.Es ist von Bedeutung für die normale Entwicklung des Gehirns, indem es das Wachstum und die Teilung von Neuronen steuert, sowie die Bildung und Reifung von Myelin bewirkt, einer Substanz, die die Nerven schützt und eine effiziente Übertragung von Nervenimpulsen fördert.[10]Mutationen dieses Gens treten häufig spontan (de novo) auf, d. h. sie können bei einem Kind auftreten, in dessen Familiengeschichte die Mutation bisher nicht vorkommt.Wie sich gezeigt hat, werden diese Mutationen (dann) autosomal dominant vererbt.[11]
Ätiologie
Das PURA-Syndrom wurde erstmals von Lalani et al. im Jahr 2014 beschrieben. Dieser Studie lagen elf Fälle vor, darunter Hypotonie bei Neugeborenen, Enzephalopathie (oft – aber nicht immer – mit Epilepsie einhergehend) und schwere Entwicklungsverzögerung.[12]
Epidemiologie
Laut Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM) wurden in der medizinischen Literatur weltweit etwa 62 Fälle beschrieben, weshalb das PURA-Syndrom als eine sehr seltene Erkrankung gilt.[12]Schätzungen zufolge ist der PURA-Gendefekt die Ursache für 1 % aller Fälle von Entwicklungsverzögerungen.
Wie oft bei einer so seltenen Krankheit werden immer wieder Patienten entdeckt, bei denen entweder lange Zeit keine Diagnose gestellt wurde, oder bei denen fälschlicherweise andere Krankheiten (wie das Angelman-Syndrom ) mit ähnlichem Erscheinungsbild diagnostiziert wurden. Bis zum Jahr 2023 hat die PURA-Syndrom-Stiftung (PURA Syndrome Foundation) weltweit über 500 Patienten anerkannt.[13]
Literatur und Weblinks
- PURA Deutschland, Homepage.
- Rare Diesease Day, zum 29. Februar 2024 (rarediseaseday.org).
- Dierk Niessing: Allgemeine Informationen für Patientenfamilien zum PURA Syndrom. Universität Ulm, Institute of Pharmaceutical Biotechnology. Stand: 1. März 2022. Dazu:
- Maja Nötzel: Dem Gendefekt auf der Spur: PURA-Syndrom: So hilft ein Ulmer Forscher betroffenen Familien. Auf swr.de, Stand 1. März 2024.
- K. Rubin, E. Sigler: PURA syndrome. In: Anästesiologie & Intensivmedizin, Band 63, Nr. 11, OrphanAnesthesia, September 2022; doi:10.19224/ai2022.s257 (englisch).