Meromiktisches Gewässer

See in der die vertikale Wasserzirkulation nicht über das ganze Tiefenprofil stattfindet
(Weitergeleitet von Meromixis)

Als meromiktisches Gewässer bezeichnet man in der physikalischen Limnologie – und auch Ozeanographie – ein stehendes Gewässer, in dem die vertikale Wasserzirkulation nicht über das ganze Tiefenprofil stattfindet. Das Phänomen wird Meromixis genannt.

Grundlagen

Holomiktische Durchmischungen des Wasserkörpers von Seen größerer Tiefe

Das Mixis-System (Durchmischung) ist ein System der Klassifikation von Stillgewässern. Hier stehen die meromiktischen (teilweise durchmischenden, von altgriechisch μέρος méros, deutsch ‚Teil‘) Gewässer zwischen den holomiktischen (ganz durchmischenden) und amiktischen (nicht durchmischenden): In einem meromiktischen Gewässer findet Durchmischung nur in bestimmten, voneinander getrennten Zonen statt, wodurch sich Zonen verschieden alten Wassers ausbilden, während sich das Wasser in anders geschichteten Wasserkörpern, etwa dimiktischen oder oligomiktischen, zumindest einmal jährlich – in ersteren jahreszeitlich, in zweiteren unregelmäßig – vollständig durchmischt.

Der Begriff der Meromixis wurde vom Österreicher Ingo Findenegg 1935 geprägt[2][3][4] und von George Evelyn Hutchinson 1937 wesentlich erweitert.[5]

Mechanismen

Die regulär zirkulierende obere Schicht wird Mixolimnion (‚mischendes Wasser‘) genannt, der Tiefenwasserbereich Monimolimnion. Im Mixolimnion bildet sich oft eine reguläre – permanent oder intermittierend – mischende Schichtung mit Epilimnion (Oberflächenwasser), Metalimnion (Sprungschicht) und auch einem Hypolimnion (Tiefenschicht) aus, nur überlagert diese das Monimolimnion, sodass sich eine charakteristische Trennschicht ausbildet.

Es kommen vor allem zwei Ursachen in Frage.

Meromiktische Gewässer bilden meist einen stabilen Zustand, der nur durch Ausnahmsereignisse aufgehoben werden kann. Das Mixolimnion versorgt das Monimolimnion regelmäßig mit Nachschub an kaltem oder angereichertem Wasser. Die beiden Prozesse kommen auch in Kombination vor, andererseits können hochsaline Monimolimnia auch bei warmem Tiefenwasser stabil bleiben. Begünstigend sind zum Beispiel eine kleine Wasseroberfläche im Verhältnis zur Tiefe, wodurch in windgeschützter Lage kaum Angriffsfläche für den Wind entsteht. Ein Sonderfall ist etwa der Ödensee, Steiermark, der durch kalte unterirdische Höhlenzuflüsse meromiktisch wird: Es fließt nur das warme Oberflächenwasser ab, die Tiefe bleibt chemisch geschichtet.[7][8]

Das Mixolimnion verliert ständig durch Sedimentation Biomasse und damit Nährstoffe an das Monimolimnion. Dadurch bilden sich im Tiefenwasser oft anaerobe (sauerstofffreie) Verhältnisse aus. Bekanntes Beispiel ist das Schwarze Meer, das größte meromiktische Becken der Erde, das in der Tiefe für höhere Lebewesen unbewohnbar ist.[9]Auch Methan, Ammonium, Schwefelwasserstoff und ähnliche Stoffwechselendprodukte können sich so anreichern.

Ein Beispiel für ein eigenständiges Biotop, durch ein meromiktisches Gewässer bedingt, ist der Ongeim'l Tketau (Jellyfish Lake ‚Quallensee‘) in Palau, ein abgeschnittener Meeresrest mit seiner Quallen- und Seeanemonenpopulation im Mixolimnion, einer schwebende Matte von Bakterien der Gattung Chromatium (Chromatiaceae) an der dünnen, hochsauren Chemokline und dem anoxischen Tiefenwasser.

Neben natürlichen Prozessen können auch anthropogene Ereignisse zur Ausbildung meromiktischer Seen führen. Beispiele sind der Luganersee und Zugersee, zwei randalpine Talungsseen, durch Eutrophierung aus der Landwirtschaft und Abwässern seit den 1950ern, die Bergbaufolgelandschaft Merseburg-Ost (Raßnitzer See), oder der Traunsee im Salzkammergut durch jahrhundertelange industrielle Einleitungen aus den Salinen Bad Ischl und Ebensee. In solchen Fällen ist Frage aktueller Forschung, ob und wie man die „unnatürlichen“ Meromixis aufheben könnte.[10]

Ammonium-Verteilung im Mono Lake (in Mikromol nach Wassertiefe, 1982–1988)

Es kann in normalerweise oligomiktischen Seen auch zu meromiktischen Episoden kommen. So sind am Hallstättersee, ebenfalls im Salzkammergut, durch Chloride aus dem Salzbergbau (durch Bergwerksgebrechen) Phasen unterbrochener Durchmischung aus den Jahren 1971–1975, 1981–1988 und 2006–2011 untersucht,[11] oder im Mono Lake, USA, in den 1980ern und 1990ern durch starken Oberflächenzufluss von Süßwasser in den See, der durch vorherige Wasserentnahme einen stark angereicherten Salzgehalt aufwies.

In Stauseen – ohne Grundablass – findet sich oft beim Erststau durch anaerobe Zersetzung der überstauten Biomasse Meromixis ein, die sich meist erst nach ein, zwei Jahrzehnten stabilisiert. Aus diesem Grund wird heute möglichst zumindest der Wald geschlägert, optimalerweise der Mutterboden abgetragen.[12] Dasselbe findet auch bei der natürlichen Neubildung von Seen etwa durch Abschnürungen vom Salzwasser oder bei durch Massenbewegungen verlegten Talungen statt.

Durch spezielle Bedingungen kann es auch zu zumindest teilweisen Zirkulationsvorgängen in das Monimolimnion kommen, wodurch giftige Abbauprodukte von Mikroorganismen zu Fischsterben führen kann. Bekannt ist auch der Kohlenstoffdioxid-Ausbruch des Kratersees Nyos in Kamerun nach Erdbeben (1986, 1800 Todesopfer).

Meromixis rückt auch zunehmend in den Fokus der Paläoklimatologie, weil in der Tiefe ungestörte Sedimentation stattfindet, wodurch gut erhaltene Klimaarchive entstehen.[13] Auch wird vermutet, dass viele ergiebige Fossillagerstätten unter den sauerstoffarmen Bedingungen meromiktischer Süßwasserseen oder Lagunen entstanden sind.[14]

Liste der meromiktischen Seen

Meromiktische Seen gibt es auf der ganzen Welt. Die Verteilung scheint ungleichmäßig zu sein, was aber möglicherweise auf unvollständige Untersuchungen zurückzuführen ist. Abhängig von der genauen Definition von „meromiktisch“ liegt das Verhältnis zwischen meromiktischen und holomiktischen Seen weltweit bei etwa 1:1000.

Afrika

Nyos-See nach dem Ausbruch von 1986

Antarktis

Der eisbedeckte Vandasee mit dem Onyx River im Vordergrund (rechts)

Asien

Quallensee, Luftbild mit Blick Richtung Westen
  • Zigetangcuo Lake (tibetisch ཙི་གེ་དར་མཚོ tsi ge dar mtsho, THL Tsige Dartso), ein krenogener See in der Präfektur Nagqu, Tibet, VR China. Es handelt sich um den höchstgelegenen meromiktischen See.[23]
  • Karnaphuli-Stausee (bengalisch কাপ্তাই হ্রদ englisch Kaptai Lake), im Distrikt Rangamati, im südöstlichen Teil von Bangladesch. Entstanden durch den Bau eines Staudamms in Kaptai zur Errichtung eines Wasserkraftwerks.
  • Bababu-See, Basilisa, Dinagat Islands, Philippinen.
  • Vansee, Osttürkei[15]
  • Schirasee, Chakassien, Südsibirien, Russland[15][16]
  • Lake Shunet, Chakassien, Russland[15][16]
  • Lake Oigon, im NW der Mongolei[15][16]
  • Matanosee, im Osten der indonesischen Insel Sulawesi[15]
  • Lake Harutori (japanisch 春採湖 Harutoriko), in der Stadt Kushiro, Hokkaidō, Japan[15]

Australien

  • Tasmanien

Europa

  • Österreich
Weißensee um 1900
Millstätter See im Frühling
  • Deutschland
  • Alatsee,[15] kleiner Alpensee in der Nähe der Stadt Füssen, Bayern, in direkter Nähe zur österreichischen Grenze (Durchmischungstiefe 15–18 m).
Blick über den Alatsee im SW von Füssen Richtung Osten
  • Vähä-Pitkusta-See
  • Pakasaivo-See
  • Alinen Mustajärvi[16]
  • Birkelandsvatn (alias Birkelandsvatnet oder Salvatnet), Kilevann, Tronstadvatn, Rørholtfjorden, Botnvatn (alias Botnvatnet (Saltdal)), Rørhopvatn (alias Rørhopvatnet) und Strandvatn (alias Strandvatnet)
Strandvatnet in Nordland unten links; nur ein schmaler Isthmus trennt den see vom Ofotfjord.
  • Kongressvatnet, Kapp Linné nahe Grönfjord (Grønfjorden), Spitzbergen[15]
  • Lough Furnace (irisch Loch na Foirnéise)
Mogilnoje-See
Lac du Bourget ist der größte und tiefste See in Frankreich
Zugersee von der Rigi aus gesehen, Schatten von Rigi Kulm

Amerika

Lago de Atitlán, Aufnahme von 2007
Wintermorgen am meromiktischen Salzsee Mahoney Lake
Sunfish Lake bei Waterloo (Ontario).
  • USA
Big Soda Lake bei Fallon (Nevada)
Green Lake bei Syracuse (New York).
Seifenschaum am Ufer des Soap Lake im Bundesstaat Washington

Literatur

  • Anu Hakala: Meromixis as a part of lake evolution – observations and a revised classification of true meromictic lakes in Finland. In: Boreal Environmental Research Band 9, 2004, S. 37–53, borenv.net (PDF).
Commons: Meromiktische Seen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise