Liedbuch der Germania zu Wiener Neustadt

Das Liedbuch der Germania zu Wiener Neustadt ist ein von der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt 1997 herausgegebenes Liederbuch, in dem auch eine Reihe antisemitischer, rassistischer und im Verdacht der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz stehende Liedtexte enthalten sind.

Skandal

Im Jänner 2018 berichtete zunächst Nina Horaczek im Wiener Wochenmagazin Falter über ein von der Burschenschaft 1997 herausgegebenes Liederbuch, in dem auch eine Reihe antisemitischer, rassistischer und im Verdacht der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz stehende Liedtexte enthalten sind (z. B. „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben-Gurion: ‚Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million‘“, „Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines': ‚Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.‘“).[1]

Für besondere Aufmerksamkeit in den Medien sorgte dabei, dass Udo Landbauer, der Spitzenkandidat der FPÖ Niederösterreich für die Landtagswahl am 28. Jänner 2018, seit 2001 Mitglied der Burschenschaft und zwei Jahre lang stellvertretender Vorsitzender war. Er stellte seine Mitgliedschaft infolge der veröffentlichten Lieder am 23. Jänner „ruhend“. Er habe die Lieder nicht gekannt. Er verlangte eine Untersuchungskommission, um die „skandalöse Angelegenheit restlos und umfassend zu klären“.[2] Die Burschenschaft suspendierte den für das Liederbuch Verantwortlichen. Dieser würde sich den Behörden stellen. Man distanzierte sich von dem Buch und würde jede Maßnahme fördern, die der Polizei bei der Aufklärung hilft.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezeichnete den Abdruck der Lieder als „zutiefst verabscheuungswürdig“ und hielt fest: „Die Mitglieder der Germania stehen jetzt im Verdacht der Wiederbetätigung. Wer immer dafür verantwortlich ist, hat in der Politik nichts zu suchen.“[3] Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderte Konsequenzen und bezeichnete die veröffentlichten Liedtexte als „rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig“. Für Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte Landbauer die „rote Linie“ noch nicht überschritten.[4] Am 24. Jänner leitete die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz ein. Bei einer polizeilichen Hausdurchsuchung bei der Burschenschaft wurden 19 Liederbücher sowie Ordner mit Unterlagen sichergestellt und zur Überprüfung dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung übergeben.[5]

Am 24. August 2018 teilte die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt mit, das Ermittlungsverfahren eingestellt zu haben. Es konnten keine Beweise für eine „propagandistische Wiedergabe der strafrechtlich relevanten Textpassagen“ gefunden werden, und im Hinblick auf den Verlags- und Ausgabezeitpunkt des Liederbuchs im Jahr 1997 wurde auf die eingetretene Verjährung hingewiesen.[6] Landbauer kehrte kurz darauf wieder in die Politik zurück.[7]

Im April 2019 wurden die beschlagnahmten Liederbücher wieder an die Burschenschaft retourniert, nachdem ihr Obmann unter Aufsicht einer Richterin die inkriminierten Seiten aus den Büchern herausgeschnitten hatte.[8]

Einzelnachweise