Kerstin Herrnkind

deutsche Journalistin und Autorin

Kerstin Herrnkind (* 1965 als Kerstin Schneider in Bremen) ist eine deutsche Journalistin und Autorin.

Werdegang

Herrnkind wuchs die ersten zehn Jahre in Bremen auf, bis ihre Eltern mit ihr ins Umland von Hamburg umzogen. Sie wuchs zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Uwe in Apensen auf.[1] Nach ihrem Abitur absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin und ging dann für ein Jahr als Au-Pair nach Dallas. Wieder zurück in Deutschland schrieb sie sich nach drei Jahren Wartezeit auf einen Studienplatz für ein Studium des Bibliothekswesens mit dem Nebenfach Literaturwissenschaft ein. Neben dem Studium schrieb sie Artikel für den Lokalteil des Buxtehuder Tageblatts und hospitierte ein halbes Jahr in der Dokumentation des Spiegel. Nach ihrem Studium volontierte Herrnkind bei der Nordsee-Zeitung und schrieb ab 1995 bei der Bremer Redaktion der taz über Landespolitik und Justizthemen. Ihr Betrag „Tod eines Knackis“ schaffte es in die Endauswahl des Konrad-Adenauer-Preises in die Rubrik „fast preisgekrönte Beiträge“ und wurde in dem Band des Jahres 1997 veröffentlicht. Seit 1999 ist sie Reporterin beim Stern, ihre Schwerpunktthemen sind Polizei und Justiz.[2] 2022 veröffentlichte sie ein Buch über die Drogengeschichte ihres verstorbenen Bruders.[3] Anfang Juni 2024 diskreditierte sie nach dem Polizistenmord in Mannheim die Arbeit der Polizei mit ihrem Beitrag im Stern-Magazin, indem sie relativierte, dass Bauarbeiter gefährlicher leben als Polizisten.[4]

Maries Akte

2008 veröffentlichte Herrnkind (noch unter dem Namen Kerstin Schneider) ihr erstes, auf vier Jahren Recherche basierendes Buch „Maries Akte“. Es handelte von Marie, Herrnkinds Großtante aus dem protestantischen Neugersdorf, sowie deren Großtante Magdalena aus dem katholischen Nachbarort Philippsdorf.[5] Bei beiden Frauen war von Ärzten jeweils eine wahnhafte psychische Störung diagnostiziert worden. Während eine Marienerscheinung von Magdalena im Jahre 1866 Philippsdorf zu einem bedeutenden Wallfahrtsort machte, was den Bürgern zu beachtlichem Wohlstand verhalf,[6] wurde ihre Großnichte Marie als „lebensunwertes Leben“ Opfer der NS-Krankenmorde.[7]

In einer 2012 erschienenen zweiten Auflage des Buchs ergänzte Herrnkind Reaktionen auf ihre Recherchen: Während in Neugersdorf die katholische Kirche Lesungen von Herrnkind verhinderte,[8] untersagte das Bistum Leitmeritz, bezüglich Magdalena weiter von einem Wunder zu sprechen.[9] In der zwölf Kilometer entfernten Landesanstalt Großschweidnitz, wo Marie dem im Medizinstudium gescheiterten und niemals approbierten „Euthanasie-Arzt“ Robert Herzer zum Opfer fiel,[10] wurde 2012 eine Leichenhalle in eine Gedenkstätte zur Aufarbeitung der Verbrechen in der Klinik während des Nationalsozialismus umgestaltet.[11] In Mannheim, wo Robert Herzer trotz Verurteilung beim Dresdner Euthanasie-Prozess ab Ende der 1950er Jahre Karriere als „Leitender Arzt“ beim TÜV Baden machte,[12] wurde dessen Grabstein mit gefälschtem Titel entfernt.[13]

Für Evelyn Finger war Herrnkinds „brillantes Sachbuch“ zu Marie und Magdalena „ein düsteres Lehrstück, … sensibel rekonstruierte Zeitgeschichte im Familienformat“.[14] Die taz bezeichnete Herrnkinds Suche nach ihrer Familiengeschichte als „spannend beschrieben“, die „so gleichzeitig in ein Stück Zivilisationsgeschichte“ führe.[6] Barbara Dobrick (Deutschlandfunk Kultur) bemängelte zwar, dass Herrnkinds „Erzählhaltung nicht ganz stimmig“ sei, da sie mal „wie eine den Fakten verpflichtete Chronistin, mal wie eine Romanautorin, deren Stil wiederum nicht ganz“ überzeuge, schreibe. Insgesamt habe Herrnkind aber „eine bedrückende, eine spannende Geschichte zu erzählen“.[15]Für Barbara Bongartz war es „ein reiches, vielschichtiges Buch“, dessen Auftakt an Daphne du Maurier erinnere: „Ich weiß jetzt, was ein Fluch ist.“ „Von Seite zu Seite“ entwickle „sich der raunende Duktus des Anfangs zu einem feinsinnigen Ton des Erzählens, Beginn einer Reise deren Ergebnis ungewiss ist.“[16] Michael Hametner siedelte Herrnkinds „auf der Basis einer umfangreichen Recherche“ entstandenes Buch „zwischen Sachbuch und Roman“ an.[17] Die Neue Zürcher Zeitung hob den aufgedeckten „veritablen Skandal“ hervor: Herrnkind sei „es gelungen, den Euthanasie-Vollstrecker ausfindig zu machen“, den „Hochstapler, der sich als Arzt ausgab und mit seinen ‚Gutachten‘ unzählige Menschen in den Tod schickte.“[18] Dolores Herrmann (Staatsarchiv Leipzig) hielt die Reportage für „äußerst umfassend und genau recherchiert und spannend geschrieben wie ein Krimi.“ Der Leser fühle „sich regelrecht einbezogen in die Recherchen und scheinbar nebenbei“ erhalte „er kurze anschauliche historische Zusatzinformationen, die ihn die Familiengeschichte als Teil der allgemeinen zeitgeschichtlichen Zustände sehen lassen. […] Ein sehr mutiges Buch auch, weil die Autorin die Heilige Magdalena Kade als psychisch krank entmystifiziert.“[19]

Kontroverse um Stern-Artikel zum Messerangriff in Mannheim am 31. Mai 2024

Im Juni 2024 geriet Kerstin Herrnkind in die öffentliche Kritik, nachdem sie einen Kommentar über den Mord an einem Polizisten in Mannheim im Stern veröffentlicht hatte. Darin relativierte sie die Gefährlichkeit des Polizeiberufs, „Bauarbeiter leben gefährlicher“.[20] Viele Leser empfanden die Aussagen als pietätlos. Nach massiver Kritik veröffentlichte Herrnkind eine Klarstellung, in der sie betonte, dass sie den Tod des Polizisten keineswegs relativieren wollte und an den statistischen Aussagen festhielt.[21]

Auszeichnungen

Werke

Einzelnachweise