KZ-Außenlager Kaufering III

KZ-Außenlager III Kaufering des Außenlagerkomplex Kaufering des Konzentrationslagers Dachau in Bayern

Das KZ-Außenlager Kaufering III war das erste der elf Lager des Außenlagerkomplexes Kaufering, des größten Komplexes der 169 Außenlager des Konzentrationslagers Dachau mit der Funktion des Hauptlagers mit Kommandantur. Diese Funktion ging im September 1944 an das KZ-Außenlager Kaufering I – Landsberg über. Das Lager Kaufering bekam somit seine endgültige Bezeichnung Kaufering III. Das KZ-Außenlager befand sich südöstlich des Bahnhofs Kaufering in der Kurve des Gleises Richtung Landsberg.[1]

Schematische Karte KZ-Außenlager Kaufering III – Kaufering, 1945. (s. a. Luftbilder)
KZ-Außenlager Kaufering III in Kaufering (Bayern)
KZ-Außenlager
Kaufering III in Kaufering
(Bayern)
KZ-Außenlager
Kaufering III in Kaufering
Lokalisierung von Bayern in Deutschland
Lage KZ-Außenlager Kaufering III in Kaufering, in Bayern.

Unter der örtlichen Leitung der Organisation Todt mussten die im Mittel mehr als 2000 Gefangenen bei völlig unzureichender Ernährung härteste Arbeit für die Baufirma Leonhard Moll am Großbunker Weingut II verrichten, die Vernichtung durch Arbeit hatte Vorrang.[2]

Entstehungshintergrund

Nach der Luftoffensive der Alliierten im Februar 1944 war die deutsche Rüstungsindustrie schwer getroffen. Die Flugzeug-Produktion sollte mittels U-Verlagerung unter die Erde verlagert werden, mit der Leitung beauftragt war der Jägerstab mit weitreichenden Vollmachten. Dieser beauftragte die Organisation Todt (OT) mit Organisation und Herstellung der Großbunker,[3] ursprünglich geplant war eine Länge von 400 Metern bei einem Innendurchmesser von 85 Metern und 25 Metern Innenhöhe, mit mindestens fünf Metern Wandstärke.[4] Mit dem massiven Einsatz von mehr als 30.000 größtenteils an Baufirmen vermieteten KZ-Häftlingen im KZ-Außenlagerkomplex Kaufering sollten drei Großbunker für die Fertigung u. a. des Strahlflugzeugs Messerschmitt Me 262 erstellt werden. Gefangene des KZ-Außenlagers Kaufering III mussten für die Firma Leonhard Moll bei minimaler Ernährung unter härtester körperlicher Arbeit vor allem Erd- und Betonarbeiten am Bunker Weingut II verrichten. Wenn die Gefangenen auch für die Arbeit benötigt wurden, hatte ihre Vernichtung durch Arbeit Vorrang.[2] Der von den Inhaftierten nach der Baufirma benannte „Moll-Bunker“ wurde bis Kriegsende zu zwei Dritteln fertiggestellt[5] und ist nach Fertigstellung Anfang der 1960er Jahre Bestandteil der Welfen-Kaserne der Bundeswehr.[6]

Errichtung und Betrieb des KZ-Außenlagers

Ausschnitte Zeitzeugen-Interview Ernest T. Gross über das KZ-Außenlager Kaufering III.
(18 Minuten, englisch, 1982)[7]

Am 18. Juni 1944 wurden die ersten 1000 Häftlinge[8] des gesamten KZ-Außenlagerkomplexes Kaufering aus dem KZ Auschwitz überstellt. Sie wurden im KZ-Außenlager Kaufering III in der Kauferinger Gleiskurve südöstlich des Bahnhofs interniert,[9] wo diese Gefangenen aus Ungarn, viele aus Siebenbürgen,[8] auf zuvor für landwirtschaftliche Zwecke genutzter Fläche das Lager aufbauen mussten.[4] Bereits zuvor waren 22 Funktionshäftlinge aus dem KZ Dachau dorthin überstellt worden.[9] Bis zum September hatte das zunächst noch Kaufering I genannte Außenlager die Funktion des Hauptlagers, diese wurde dann an das KZ-Außenlager Kaufering I – Landsberg übertragen.[4] Später waren in Kaufering III im Schnitt 2000 Männer, zudem 339 Frauen interniert,[1] in 56 Erdhütten für Männer, 13 für Frauen und 11 Hütten für Kranke.[10] Sie mussten für Leonhard Moll Eisenbahn- und Betonbau an der Bunker-Baustelle Weingut II arbeiten,[1] wie auch beim Anlegen von Gleistrassen und dem Bau des späteren KZ-Außenlagers Kaufering II – Igling. Das KZ-Außenlager war auch nachts beleuchtet, somit für vorbei fahrende Bahnreisende als solches zu erkennen.[4]

„‚Arbeitskommando Weingut, im Gleichschritt – marsch!! Links – 2 – 3 – 4 – links – 2 – 3 – 4 […]‘ Auch unter uns, die wir zur Arbeit auf Außenkommandos gehen mußten, konnte der eine, in ein schlechteres Kommando eingeteilt, den andern beneiden, weil der eben nicht das Unglück hatte, im tiefen Lehmboden watend, auf einem steilen Abhang, 12 Stunden im Tag die Kipper einer Feldbahn entleeren zu müssen. Auf diesem Kommando gab es die meisten, gab es tägliche und oft tödliche Unfälle.“

Viktor Frankl: … trotzdem Ja zum Leben sagen: ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, 1946[11]

Während die anderen Kauferinger Lagerbücher von der SS verbrannt wurden, blieb das des KZ-Außenlager Kaufering III erhalten, da es von einem Häftling versteckt wurde. Dort ist nachzulesen, dass am 1. Juli und 25. Oktober 1944 Schwerkranke ins KZ Auschwitz deportiert wurden. Laut O. T. waren am 14. April 1945 noch 1484 Gefangene im Lager. Die Räumung des Lagers wurde etwa zur Hälfte am 23. oder 24. April 1945 über einen Todesmarsch über Fürstenfeldbruck zum KZ-Außenlager München-Allach, zum anderen über die Zwischenstation KZ-Außenlager Kaufering I – Landsberg durchgeführt.[8]

Bekannte Gefangene des Lagers Kaufering III waren unter anderem der Widerstandskämpfer Miroslav Kárný, der Psychiater und Neurologe Viktor Frankl sowie der Jurist, Hochschullehrer und spätere Leiter der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland Berthold Simonsohn.

Juristische Aufarbeitung

Vinzenz Schöttl, ab Februar 1945 stellvertretender Lagerkommandant des KZ-Außenlagerkomplexes Kaufering unter Otto Förschner und im Außenlager Kaufering III bis zur Räumung des Lagers für die Arbeitseinteilung verantwortlich, wurde im Dachau-Hauptprozess zum Tod verurteilt, das Urteil Ende Mai 1946 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg vollstreckt.[12] Franz-Xaver Trost, Kapo im Außenlager Kaufering III, wurde 1950 wegen vierfachen Mordes und Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilt, die er bis 1973 verbüßten musste.[9]

Gedenkstein 1984 (links) und Informationstafel (rechts) zum ehemaligen KZ-Außenlager in der Kleingartenanlage (Fotos 2015).

Erinnerung und Gedenken

Gedenkort

Auf dem Großteil des ehemaligen Geländes des KZ-Außenlagers befindet sich eine Kleingartenanlage. Im Jahr 1993 stellt die Gemeinde Kaufering in Zusammenarbeit mit der Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert eine Informationstafel auf.[13] Diese informiert über den KZ-Außenlagerkomplex Kaufering und das KZ-Außenlager Kaufering III (s. Foto).

Der erste Gedenkstein des KZ-Außenlagerkomplexes Kaufering

Neben der Informationstafel befinden sich zwei Gedenksteine. Hierbei handelt es sich um einen persönlichen Gedenkstein und den ersten im Landkreis Landsberg aufgestellten Gedenkstein zum KZ-Außenlagerkomplex Kaufering. Bereits im Jahr 1984, ein Jahr nach Veröffentlichung der ersten lokalen Forschungsarbeiten durch die Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert, wurde auf Anregung des Heimatforschers Anton Posset der erste dieser beiden Gedenksteine mit mahnender Inschrift auf dem noch vorhandenen Fundament der Küchenbaracke errichtet.[14] Der Text dieses Gedenksteines[15] wurde von ihm in einer Diskussion mit Viktor Frankl entwickelt:

Geschändete und Geopferte mahnen
Euch – Menschen lasst nicht ab vom
Streben nach Freiheit, Frieden und
Recht.

An der Einweihung des vom damaligen Bürgermeisters von Kaufering Fritz Jung gestifteten Gedenksteines am 11. November 1984 war Viktor Frankl als ehemaliger Lagerinsasse anwesend und hielt eine Gedenkrede.[16]

KZ-Friedhof Kaufering Süd, an der Staustufe 18 des Lechs (2021).

KZ-Friedhof Kaufering-Süd

Der befindet sich etwa 1,5 km nördl. des Kauferinger Ortsausgangs die Augsburger Straße (LL 20) Richtung Augsburg fahrend rechts, 200 Meter südwestlich der Staustufe 18 des Lechs.

Unzählige KZ-Opfer. Das War Crimes Investigation Team entdeckte bei den Friedhöfen Kaufering-Süd & Kaufering-Nord zwei Massengräber mit je 2000–2500 Toten.[17][18] Die Inschrift:[19]

Durch Nacht
und Grauen
Davids Stern
hat Euch geführt
zu Gott dem Herrn
Hier ruhen
ungezählte
Opfer des
KZ-Lagers
Kaufring

KZ-Friedhof Kaufering-Nord, etwa 100 Meter nördl. des KZ-Friedhofs Kaufering-Süd (2021).

KZ-Friedhof Kaufering-Nord

Der befindet sich etwa 100 m nördl. des KZ-Friedhofs Kaufering-Süd (s. oben), etwas versteckt, ohne Wegweiser.

Unzählige KZ-Opfer. Das War Crimes Investigation Team entdeckte bei den Friedhöfen Kaufering-Süd & Kaufering-Nord zwei Massengräber mit je 2000–2500 Toten.[17][18] Die hebräische Inschrift[19] verweist auf die vielen Toten aus den Jahren 1944 und 1945:

אבן מקיר תזעק
למען תהי המצבה
הואת לעד על חללי
חרב ורעב, קדושים
וטהורים אשר יצאה
נשמתם מתוך עינוים
ויסורים קשים עייל
הרשעים הארורים
4 כאן בלאגער ימייש
בשנות תשייד תשייה
ת.נ.צ.ב.ה.

Die gleiche Inschrift findet sich auf dem zentralen Denkmal des KZ-Friedhofs Landsberg.

KZ-Friedhof Kaufering-Nord – Gedenkstein für bei Bauarbeiten gefundene sterbliche Überreste 1973

In den 1970er Jahren ergänzt um einen kleinen einfachen Gedenkstein mit Inschrift auf Deutsch:[19]

Hier ruhen
48 unbekannte
grossenteils wohl
jüdische KZ-Tote
die 1973 in der Um-
gebung geborgen
werden konnten

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege führt diese beiden Friedhöfe in der Liste der Baudenkmäler unter der Ortsbezeichnung „Schwabau“.[20]

Siehe auch

Literatur

Autobiografisch

  • Peter Gardosch: Mit 13 durch die Hölle. 1. Auflage. Hartung-Gorre, Konstanz 2019, ISBN 978-3-86628-631-3, Kaufering, Ringeltaube, …, S. 157–199 (272 S., u. a. Kaufering III – Kaufering).
  • Sam Berger: Die unvergeßlichen sechseinhalb Jahre meines Lebens, 1939 - 1945. Erlebnisbericht. Fischer, Frankfurt/M. 1985, ISBN 3-88323-566-0, Kaufering Lager 3, Lager 4, Flucht, S. 110–151 (260 S., Kaufering III – Kaufering, Kaufering IV – Hurlach).

KZ-Außenlagerkomplex Kaufering – Gesamtdarstellungen

  • Barbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein und die Themenzentrierte Interaktion (TZI) am Beispiel des Unterrichtsprojekts zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“ – Aus der Geschichte lernen. Augsburg, Univ., Diss., 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC 862808883 (298 S., uni-augsburg.de [PDF; 9,7 MB; abgerufen am 1. November 2020] zugleich Dissertation 2012, Universität Augsburg. Schwerpunkt KZ-Außenlager Kaufering XI – Stadtwaldhof, sowie Zusammenfassungen zu den anderen Außenlagern des Lagerkomplexes).
  • Edith Raim: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf – Rüstungsbauten und Zwangsarbeit im letzten Kriegsjahr 1944/45. Neumeyer, Landsberg am Lech 1992, ISBN 3-920216-56-3, S. 151–153, 173 f., 193–195, 272 (317 S., zugleich München, Universität, Philosophische Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaft, Dissertation 1992).
  • Anton Posset, Michael Strasas, Manfred Deiler: Themenheft Heft 4 – Landsberger Zeitgeschichte: Das KZ-Kommando Kaufering/Landsberg 1944/1945: Die Vernichtung der Juden im Rüstungsprojekt „Ringeltaube“, 1993, ISBN 3-9803775-3-9.

Enzyklopädien

Ergänzend

  • Constanze Werner: KZ-Friedhöfe und -Gedenkstätten in Bayern – Wenn das neue Geschlecht erkennt, was das alte verschuldet… Hrsg.: Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. 1. Auflage. Schnell & Steiner, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7954-2483-1, S. 76–79 (439 S.).
  • Ulrike Puvogel, Martin Stankowski: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus – Eine Dokumentation – Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. Band 1. Edition Hentrich Berlin, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 153 f. (840 S., bpb.de [PDF; 24,8 MB; abgerufen am 3. September 2021]).

Film

  • United States Holocaust Memorial Museum: Oral history interview with Shaul Sadan. In: Film, Audio and Video / Testimony. ushmm.org, 16. Mai 1993, abgerufen im September 2021 (hebräisch, Accession Number 1995.A.1272.131, RG Number RG-50.120.0131): „Dachau, Kaufering: Describes travel to Dachau and working at building underground factories. Sent to Kaufering camp #3 where he was wounded in transferring huge concrete bags. Describes the struggle between hiding from the exhausting work and starving. As the end of the war approached, he volunteered for the very risky ‘bomb commandos’“
Commons: KZ Kaufering III – Kaufering – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Autobiografisch

  • Miroslav Kárný, Textkonstitution und Kommentar von Raimund Kemper: Sieben Monate in Kaufering. (PDF; 120 KB) In: sozial.geschichte.extra. Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2001, S. 9–21, abgerufen am 17. September 2021 (Nach dem Dokument Nr. 12.939 des Archivs der KZ-Gedenkstätte Dachau herausgegeben. Kaufering III – Kaufering).

zum KZ-Außenlager Kaufering III

Fotos

  • Emanuel Greenhaus: German prisoners uncover a mass grave holding victims of Kaufering Camp III. (JPG) ushmm.org, United States Holocaust Memorial Museum, Mai 1945, abgerufen am 17. September 2021 (englisch, Photograph Number 65993, Source Record ID Collections 2005.470): „German prisoners uncover a mass grave used for the disposition of bodies. The [hole] is approx. 12' X 50' and bodies are stacked 5 high, foot to foot. All victims uncovered were males of varying ages, French, Russian, and Polish Jews and from the condition of the bodies had been in the ground 2 to 3 weeks. Death was traced to various reasons. Some were given a poison hypodermic in the wrist, others had died from starvation or typhus. This pit, one of many, was estimated to hold 1,000 bodies“

Luftbild des ehemaligen KZ-Außenlagers

  • Carls Luftbild Datenbank: Kaufering III (Kaufering). (JPG) In: Landsberg-Kaufering erinnern – Erinnerungsorte. Stadt Landsberg am Lech, Landkreis Landsberg am Lech, Marktgemeinde Kaufering mit Unterstützung der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, April 2021, abgerufen am 4. September 2021: „Auf der Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1945 lässt sich das Lager III in Kaufering erkennen.“

Einzelnachweise

48° 4′ 53,8″ N, 10° 51′ 50,3″ O