Hongkong-Film

eine der drei Säulen des chinesischen Films

Der Hongkong-Film (chinesisch 香港電影 / 香港电影, auch 港產片 / 港产片) bildet neben den in Festlandchina und in Taiwan produzierten Filmen eine der drei Säulen des chinesischen Films. Hongkong-Filme nehmen bisher in der Entwicklung chinesischer Filme oft eine Vorreiterrolle ein. Unter den chinesischsprachigen Filmen aus China, Taiwan und Singapur genießt der Hongkong-Film insbesondere durch seine Qualität sowohl beim heimischen als auch beim internationalen Publikum einen guten Ruf.

Hongkong-Film
香港電影
Studiogebäude der heutigen Shaw Film Studios[1], Sai Kung 2006
Chinesische Bezeichnung
Langzeichen香港電影
Kurzzeichen香港电影
PinyinXiānggǎng Diànyǐng
JyutpingHoeng1gong2 Din6jing2
Alternative Bezeichnung
Langzeichen港產片
Kurzzeichen港产片
PinyinGǎngchǎnpiàn
JyutpingGong2caan2pin3*2
Heutiges Hauptgebäude der Shaw Film Studios[1] – 201 Wan Po Road, , Sai Kung 2006

Entwicklung

Als erster Film der Hongkonger Filmindustrie (香港電影業)[2] gilt „Chuang Tzu Tests His Wife“ (莊子試妻 – „Zhuangzi prüft seine Frau“)[3] von und mit Lai Man-wai aus dem Jahre 1913. In den Wirren des chinesischen Bürgerkriegs flüchteten viele Regisseure, vor allem linke oder sozial engagierte, vor den Kuomintang unter Chiang Kai-shek in die britische Kronkolonie Hongkong, was wesentlich zu Hongkongs späterer Bedeutung als asiatischer Filmmetropole beitrug. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs stand die Filmproduktion in Hongkong aber klar im Schatten von Shanghai.

Angesichts der aggressiven Politik der Volksrepublik China und antikommunistischer Maßnahmen der Regierung der Kronkolonie verloren die exilierten linksgerichteten Filmemacher ab 1949 zunächst an Bedeutung. Stattdessen etablierte sich ein kommerzielles Kino, das weniger an gesellschaftlicher Avantgarde als an Unterhaltung und Rendite interessiert war. In den 1950er Jahren etablierten sich mit Shaw Brothers, Cathay Studio (國泰電影公司)[4], Cathay Film Productions (國泰電影製片公司)[5] und Golden Harvest die Konzerne, die das Hongkong-Kino bis zum Ende der neunziger Jahre bzw. zur Jahrtausendwende beherrschten und deren Namen heute noch bekannt sind.

Weltweiten Einfluss erlangte das Hongkong-Kino in den 1970er Jahren, als Martial-Arts-Filme in Europa und Amerika ein Publikum fanden. Von Cineasten wegen simpler Handlungsstrukturen geschmäht, boten sie ihren Fans eine im Westen bis dato unbekannte Vorführung von Körperbeherrschung. Bedeutendster Darsteller dieser ersten Welle von Kung-Fu-Filmen war Bruce Lee, der in kurzer Zeit zu einem Weltstar wurde. Sein Erbe wurde von Jackie Chan angetreten, bis heute einer der produktivsten Kungfu-Darsteller. Einer der einflussreichsten Regisseure und Produzenten ist Tsui Hark, der gemeinsam mit Ching Siu-Tung für Klassiker des Wuxia-Genre wie die Swordsman-Trilogie verantwortlich ist.

Während der 1990er Jahre führte die Asienkrise auch in der Filmindustrie Hongkongs zu einem Rückgang. Außerdem übernahm am 1. Juli 1997 die Volksrepublik China Hongkong als Sonderverwaltungszone von den Briten. Während dieser Zeit begannen viele Beteiligte verstärkt in Hollywood Filme zu machen, so Jackie Chan, John Woo oder Chow Yun-Fat. Als 2003 zwei der größten Filmstars starben – Leslie Cheung am 1. April, durch Selbstmord und Anita Mui am 30. Dezember, aufgrund einer Krebserkrankung – sprachen einige Pessimisten schon vom Untergang der Filmmetropole Hongkong. Um der Krise in der Filmindustrie zu begegnen, startete die Regierung Hongkongs im April 2003 den Film Guarantee Fund.[6][7][8] Auf der Uferpromenade in Tsim Sha Tsui zeigt die Avenue of Stars Namen beliebter Filmstars. Mit der Trilogie „Infernal Affairs“ (2002, 2003, 2003) bewiesen Andrew Lau und Alan Mak, dass in Hongkong immer noch bahnbrechende Actionfilme entstehen können. 2006 drehte Martin Scorsese unter dem Titel The Departed ein Remake, das mehrere „Oscars“ gewann.

Das Genre Actionfilm hat in den 1990ern kräftige Impulse aus Hongkong erhalten. Dafür stehen Regisseure wie Johnnie To oder John Woo, der nach Hollywood gerufen wurde, um auch dort das Genre wiederzubeleben. Der Einfluss des Hongkong-Kinos auf Hollywood zeigt sich nicht zuletzt in Filmen wie Matrix, die sich an der Akrobatik des Hongkong-Kinos orientieren oder an Filmschaffenden wie Quentin Tarantino, die sich offen zu ihrer Vorliebe für den Hongkong-Film bekennen.

Trotz einer relativen Dominanz des reinen Unterhaltungskinos sind in den 1990er Jahren einige Filmemacher aus Hongkong mit anspruchsvollen Inhalten hervorgetreten. Neben Wong Kar-wai waren das vor allem Ann Hui und Fruit Chan oder auch Stanley Kwan.

Bedeutende Regisseure (Auswahl)

Hongkongs Produktion von Kinofilme
JahrAnzahl
1975109
1985105
1995154
200555
Quelle: Weltfilmproduktionsbericht[9]

Bekannte Schauspieler (Auswahl)

Literatur

alphabetisch aufsteigend

  • David Bordwell: Planet Hong Kong. Popular Cinema and the Art of Entertainment. Harvard University Press, Cambridge MA u. a. 2000, ISBN 0-674-00214-8 (englisch, Volltext in der Google-Buchsuche – Online auf Internet Archive, WorldCat und Rezension von Christof Decker (Berlin)).
  • Winnie Fu – 傅慧儀, Ernest Chan – 陳志華, Janet Young – 楊可欣 (Hrsg.): Early Cinematic Experience of Hong Kong – 香港早期電影遊蹤. Book III – Re-discovering Pioneering Females in Early Chinese Cinema & Grandview’s Cross-border Productions – 第三冊 – 被遺忘的影壇女先鋒及大觀公司的越洋製作 (= Hong Kong Film Archive – 香港電影資料館 [Hrsg.]: Transcending Space and Time. Band 3). 1. Auflage. Hong Kong Film Archive – 香港電影資料館, Hongkong 2014 (chinesisch, englisch, 290 S., gov.hk [PDF; 13,0 MB] bilinguale Ausgabe, redaktionelle Beratung: Kar Law – 羅卡).
  • Stefan Hammond, Mike Wilkins: Sex und Zen und eine Kugel in den Kopf. Der Hongkong-Film. (= Heyne-Filmbibliothek. Band 259). Band 32. Heyne-Bücher, München 1999, ISBN 3-453-14055-9 (Volltext in der Google-Buchsuche – amerikanisches Englisch: Sex and Zen & a Bullet in a Head. The Essential Guide to Hong Kong's Mind-Bending Films. New York, London 1996. Übersetzt von Karsten Prüßmann, Erstausgabe: Fireside / Titan Books, Vorwort von Jackie Chan, Online-Rezension in welt.de bzw. Blog).
  • Fung Po – 蒲鋒, Elbe Lau – 劉勤銳: The ultimate guide to Hong Kong film directors, 1914-1978. 香港電影導演大全, 1914-1978. Hrsg.: Hong Kong Film Directors' Gulid Limited – 香港電影導演會有限公司. 1. Auflage. Sun Design Printing Company Limited – 新設計印刷有限公司, Hongkong 2018, ISBN 978-988-12-6660-6 (chinesisch, englisch, Vorschau in der Google-Buchsuche – Bilinguale Monografie. Werktitel Online auf WorldCat).
  • Petra Rehling: Schöner Schmerz. Das Hongkong-Kino zwischen Traditionen, Identitätssuche und 1997-Syndrom. In: Filmforschung. Band 2. Bender, Mainz 2002, ISBN 3-9806528-6-6 (Volltext in der Google-Buchsuche – Zugleich Dissertation Ruhr-Universität Bochum 2001, Online-Rezension von Stefan Kramer (Konstanz), Ekkehard Knörer – Jump-Cut-Magazin).
  • Ralph Umard: Film ohne Grenzen. Das neue Hongkong-Kino. Kerschensteiner, Lappersdorf 1996, ISBN 3-931954-02-1 (Volltext in der Google-Buchsuche – Online-Rezension von Siegfiied Kaltenecker (Wien)).
  • Freddie Wong – 黃國兆, Sam Ho – 何思穎: The ultimate guide to Hong Kong film directors, 1979–2013. 香港電影導演大全, 1979–2013. Hrsg.: Hong Kong Film Directors' Gulid Limited – 香港電影導演會有限公司. 1. Auflage. Chan Sheung Kee Book Co., Ltd – 陳湘記圖書有限公司, Hongkong 2014, ISBN 978-988-12-6666-8 (chinesisch, englisch, Vorschau in der Google-Buchsuche – Bilinguale Monografie bestehend aus zwei Bände. Werktitel Online auf WorldCat. Alternativ-ISBN 978-988-12-6669-9).

Galerie

Siehe auch

Commons: Hongkong-Film – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise