Heterogene Algebra
Heterogene Algebren sind im mathematischen Teilgebiet der universellen Algebra untersuchte algebraische Strukturen und stellen in gewissem Sinn eine Verallgemeinerung von universellen Algebren (zu unterscheiden von der Disziplin) dar. Während bei universellen Algebren von einer einzelnen Menge als Grundmenge ausgegangen wird, ist die Grundmenge einer heterogenen Algebra ein Mengensystem.
Verwendung finden sie in der algebraischen Spezifikation, einer Form der Spezifikation eines Datentyps.
Definition
Eine heterogene Algebra (engl. heterogeneous algebra) besteht aus einem System (einer Familie) von nichtleeren Grundmengen und einem System (einer Familie) von Operationen
.
Die Operationen sind Abbildungen von einem (möglicherweise leeren) kartesischen Produkt der Grundmengen in eine der Grundmengen
.
Man beachte, dass und alle
spezifisch für die jeweilige Operation sind. Das zu jeder Operation
gehörende
-Tupel
bezeichnet man als den Typ dieser Operation. Eine Operation
vom Typ
entspricht einer Konstanten (aus der Grundmenge
).
Man kann die heterogene Algebra wie folgt angeben:
In gegebenem Zusammenhang ist dafür auch gleichwertig die Schreibweise
gebräuchlich.
Die Familie der Typen der einzelnen Operationen mit Indexmenge
nennt man die (vielsortige) Signatur (manchmal auch ebenfalls Typ)
der heterogenen Algebra.[1] Haben zwei Algebren die gleiche Signatur, so sind ihre Operationen bijektiv zuordenbar.
Falls es nur eine Grundmenge gibt (wenn also eine Einermenge ist), dann liegt eine gewöhnliche (universelle) Algebra vor.
Bemerkungen
- Manchmal erweist es sich auch als zweckmäßig, leere Mengen
als Trägermengen zuzulassen, etwa damit sichergestellt ist, dass die Menge aller Unteralgebren (siehe unten) einer heterogenen Algebra einen algebraischen Verband bildet.
- Ersetzt man in der obigen Definition den Begriff Verknüpfung durch partielle Verknüpfung, dann spricht man von einer partiellen heterogenen Algebra. Vernüpfungswerte müssen hier nicht für alle Parameter (
-Tupel-Kombinationen) definiert sein.
Verallgemeinerungen von aus universellen Algebren bekannten Begriffen
Da die heterogene Algebra eine Verallgemeinerung der universellen Algebra ist, ist es von Interesse, wie sich die bekannten Begriffe und Sätze übertragen lassen.
Unteralgebren
Ein Mengensystem , bei dem für jeden Index
die Teilmengenrelation
gilt, ist genau dann Unteralgebra der heterogenen Algebra
, wenn alle Operationen aus
abgeschlossen sind (insbesondere auch die nullstelligen Operationen), wenn also gilt:
für alle
mit Typ
und für alle
Für nullstellige Operationen (mit Typ
, also
), d. h. Konstanten, bedeutet das, dass diese alle in
liegen müssen:
Wie auch bei universellen Algebren gilt:Der mengentheoretische Durchschnitt von Unteralgebren ist stets eine Unteralgebra (sofern er nicht leer ist).Dabei ist der Durchschnitt für jedes getrennt durchzuführen und keiner der Durchschnitte darf leer sein.
Homomorphismen
Seien und
heterogene Algebren derselben Signatur, d. h., für jedes
seien
und
vom gleichen Typ, etwa
.
Weiter sei gegeben ein System (eine Familie) von Abbildungen mit
für jedes
.
Seien die Funktionen nun in folgendem Sinne mit den Operationen
vertauschbar:
- Für alle
mit gemeinsamem Typ
und für alle
gilt:
Speziell im Fall von Konstanten, d. h. für die mit Typ
, muss also gelten:
mit
und
.
Dann spricht man von einem Homomorphismus von in
.
Sind zusätzlich alle Funktionen bijektiv, so spricht man von einem Isomorphismus.
Homomorphiesatz
Für jeden Homomorphismus auf einer heterogenen Algebra ist das homomorphe Bild isomorph zu ihrer Faktoralgebra nach der Kongruenzrelation
.
Beispiele für heterogene Algebren
Vektorräume
Ein Vektorraum über einem Körper
ist eine heterogene Algebra mit den zwei Grundmengen
und
.Für die zweistelligen Operationen gilt Folgendes:
hat Typ
.
hat Typ
.
hat Typ
.
hat Typ
.
In quantorenfreier Notation der Axiome (ohne Existenzquantor) kommen noch dazu als einstellige Operationen die Bildung des additiven Inversen (Negativen) in und des additiven und multiplikativen Inversen in
, sowie als Konstanten (nullstellige Operationen) der Nullvektor
in
und Null- und Einselement
in
:
hat Typ
.
hat Typ
.
hat Typ
(als partielle Operation).
hat Typ
(als Konstante
, siehe leeres Produkt).
und
haben beide Typ
.
Streng genommen ist der Vektorraum also eine partielle heterogene Struktur.
Verallgemeinerungen sind Links- und Rechtsvektorräume über Schiefkörpern (Wegfall der multiplikativen Kommutativität der Skalare). Spezielle Vektorräume sind die Algebren über einem Körper (K-Algebren, veraltet auch: lineare Algebren) und Lie-Algebren.
Moduln
Ein Modul über einem kommutativen Ring
mit Einselement
ist eine heterogene Algebra mit den zwei Grundmengen
und
. Moduln sind verallgemeinerte Vektorräume, für die Operationen gelten analoge Regeln wie oben. Weitere Verallgemeinerungen bestehen im Wegfall der multiplikativen Kommutativität der Skalare (wobei dann zwischen Links- und Rechtsmoduln unterschieden werden muss) oder des Einselements.
Peirce-Algebren
Eine Peirce-Algebra ist eine abstrakte Relationsalgebra zusammen mit Links- und Rechtsverknüfungen mit Elementen weiterer Trägermengen. Ein Beispiel sind zweistellige Relationen zwischen Elementen zweier Mengen
und
(Vor- und Nachbereich) zusammen mit Vor- und Nachbeschränkung auf Teilmengen von
bzw.
.
Köcher
Ein Köcher in der Graphentheorie ist eine heterogene Algebra mit zwei Grundmengen
(Punkten oder Knoten genannt) und
(Pfeile oder gerichtete Kanten genannt). Die einstelligen Operationen
und
sind beide vom Typ
und ordnen jedem Pfeil seinen Anfangs- und Endpunkt zu.
Kleine Kategorien
Eine kleine Kategorie in der Kategorientheorie ist eine (partielle) heterogene Algebra mit zwei Grundmengen[2]
(Objekte genannt) und
(Morphismen oder Pfeile genannt). Die einstelligen Operationen
und
sind beide vom Typ
und ordnen jedem Morphismus (Pfeil) sein Quell- und Zielobjekt zu.
ist eine zweistellige partielle Verknüpfung vom Typ
und ordnet je zwei Morphismen
mit
die Verknüpfung
zu. Die Identitätsabbildung
ist eine einstellige Verknüpfung vom Typ
, die jedem Objekt
seinen Identitätsmorphismus
mit
zuordnet. Die ersten vier Komponenten einer kleinen Kategorie
definieren einen Köcher
.
Endliche Automaten
Ein endlicher Automat in der Automatentheorie ist eine heterogene Algebra[3] mit den zwei Grundmengen
(dem Eingabealphabet) und
(der Menge der Zustände). Für die Operationen gilt Folgendes:
- Der Anfangszustand
hat Typ
.
- Die Zustandsübergangsfunktion
hat Typ
.
Anmerkungen und Einzelnachweise
Literatur
- Hans Kaiser, Rainer Mlitz, Gisela Zeilinger: Algebra für Informatiker. 2. Auflage. Springer-Verlag, Wien 1985, ISBN 978-3-7091-8820-0, doi:10.1007/978-3-7091-8820-0.
- Miroslav Novotný: Homomorphisms of heterogeneous algebras. In: Czechoslovak Mathematical Journal. 52 (127), 2002, S. 415–428.
- G. Birkhoff, J. D. Lipson: Heterogeneous algebras. In: Journal of Combinatorial Theory. 8, 1970, S. 115–133.
- J. A. Goguen, J. W. Thatcher, E. G. Wagner, J. B. Wright: Initial algebra semantics and continuous algebras. In: Journal of the Association for Computing Machinery. 24, 1977, S. 68–95.
- P. J. Higgins: Algebras with a schema of operators. In: Mathematische Nachrichten. 27, 1963, S. 115–132.
- Hans Opolka: Algebra für die Informatik. Bei: TU-Braunschweig.de. Institut für Analysis und Algebra. PDF, 2010, kein Zugriff ohne Berechtigung.