Rechtsförmlichkeit

Lehre von der Abfassung von Normen und deren Organisation

Die Rechtsförmlichkeit oder Legistik ist die Lehre und die Regelung der formalen Gestaltung und Verwaltung von Rechtsvorschriften.

Deutschland

„Die Prüfung durch das Bundesministerium der Justiz ist eine rechtliche Prüfung. Mit Blick auf die gesamte Rechtsordnung bezieht sie sich vor allem auf die Regelungssystematik und die Regelungsform des jeweiligen Rechtsetzungsvorhabens.“

Handbuch der Rechtsförmlichkeit[1]

Im genannten Handbuch finden sich zahlreiche Regelungen zu folgenden Gesichtspunkten:

In vielen Bundesländern bestehen zusätzlich eigene Regelungen, so z. B. in Bayern die Redaktionsrichtlinien[3] und in Nordrhein-Westfalen die Sonderregelungen in der Gemeinsamen Geschäftsordnung (GGO) und insbesondere in den Anlagen zu dieser.[4]

Österreich

In Österreich ist der Verfassungsdienst (Sektion V des Bundeskanzleramtes) für die Erarbeitung und Weiterentwicklung der legistischen Richtlinien zuständig. In den einzelnen Bundesministerien gibt es zur Erarbeitung von Gesetzestexten (Ministerialentwürfen) jeweils eine eigene Abteilung oder Sektion, zum Beispiel die Sektion III (Recht) Abteilung Legistik im Innenministerium.

Der Verfassungsdienst stellt die jeweils gültigen Bestimmungen im Bereich der Rechtssetzungstechnik im Internet auf der Homepage des Verfassungsdienstes zur Verfügung.[5] Im Begutachtungsverfahren äußert sich der Verfassungsdienst oft mit Anliegen gesetzestechnischer Natur.

Eigene Regelungen bestehen etwa in den Bundesländern Niederösterreich,[6] Steiermark[7] und Vorarlberg.[8]

Schweiz

In der Schweiz ist die Sektion Recht der Bundeskanzlei verantwortlich. Es gelten Gesetzestechnische Richtlinien des Bundes[9] sowie Richtlinien der Kantone[10] und kommunaler Körperschaften.[11]

Liechtenstein

Der Rechtsdienst der Regierung überprüft Entwürfe zu Rechtsvorschriften und hat 1990 Legistische Richtlinien ausgearbeitet.[12]

Weitere deutschsprachige Gebiete

Südtirol

In Südtirol liegt die Zuständigkeit beim Amt für Rechts- und Gesetzgebungsangelegenheiten des Landtages und bei der Anwaltschaft des Landes.[13] Es gibt Legistische Richtlinien, publiziert im Rundschreiben der Generaldirektion vom 2. Jänner 1997.

Ostbelgien

Die Zentrale Dienststelle für Deutsche Übersetzungen (ZDDÜ) in Malmedy erstellt deutsche Übersetzungen belgischer Gesetze und stellt die dreisprachige Terminologiedatenbank Semamdy zur Verfügung.[14]

Europäische Union

Bei der Europäischen Union ist der Juristische Dienst der Europäischen Kommission, Team „Qualität der Gesetzgebung“ zuständig.[15] Als interinstitutionelle Regelung dient ein Gemeinsamer Leitfaden für Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken,[16] der durch ein Gemeinsames Handbuch zur Abfassung von Rechtsakten im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren[17] konkretisiert wird.

Gliederung und Zitierweise eines typischen Rechtsakts

Deutschland[18]Österreich[19]Schweiz,[20] Liechtenstein[21]EU[22]
GliederungZitatGliederungZitatGliederungZitatGliederungZitat
§ 1§ 1§ 1§ 1Art. 1Artikel 1 (Art. 1)Artikel 1Artikel 1
(1)Absatz 1(1)Abs. 1¹Absatz 1 (Abs. 1)(1)Absatz 1
Satz 11.Z 1a.Buchstabe a (Bst. a)a)Buchstabe a
1.Nummer 1a)lit. a1.Ziffer 1 (Ziff. 1)1.Nummer 1
a)Buchstabe aaa)sublit. aaerster Strichi)Ziffer i

Die Regelungen subnationaler Einheiten (Bundesländer, Kantone) können abweichen. In Bayern etwa sind Stammgesetze in Artikel gegliedert, und mehrere Sätze in einem Absatz werden durch voran- und hochgestellte Zahlen gekennzeichnet.[23] Umgekehrt werden in einigen Schweizer Kantonen (AG, BL, BS, LU, SZ, SO, TG, ZG, ZH) in der Regel Paragrafen verwendet.

Weitere Länder

Auch in anderen Ländern gibt es entsprechende Regeln zur Abfassung von Rechtsvorschriften, beispielsweise in Italien[24] und Polen.[25]

Siehe auch

Literatur

  • Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Handbuch der Rechtsförmlichkeit. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Nr. 160a/2008. Bundesanzeiger Verlag, 22. Oktober 2008, ISSN 0720-6100 (298 S., [1] [PDF; 930 kB; abgerufen am 23. Oktober 2020]).
    • Der Text wurde auch in sieben andere Sprachen übersetzt (ins Chinesische, Englische, Polnische, Rumänische, Russische, Serbische und Türkische). Die Übersetzungen stehen auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Download bereit (zuletzt abgerufen am 7. Juli 2016).
  • Hildebert Kirchner: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache. 6. Auflage. De Gruyter Recht, Berlin 2008, ISBN 978-3-89949-335-1.
  • Anton Schäfer: Abkürzungen, Begriffe, Zitiervorschläge (Akronyme – internationale Einführung und umfangreiche Abkürzungssammlung). 1. Auflage. Verlag Österreich, Wien 2008, ISBN 978-3-7046-5112-9.
  • Tonio Walter: Kleine Stilkunde für Juristen. 2. Auflage. Beck Verlag, München 2009, ISBN 978-3-406-59190-7.
  • Tonio Walter: Sprache und Stil in Rechtstexten in JR. 2007, S. 61–65.
  • Uwe Wesel: Fast alles, was Recht ist. Jura für Nichtjuristen. 8. Auflage. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-8218-4749-8.
  • Marina Brambilla, Joachim Gerdes, Chiara Messina (Hrsg.): Diatopische Variation in der deutschen Rechtssprache. Frank & Timme, Berlin 2013, ISBN 978-3-86596-447-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • historisch: Harald Kindermann: Ministerielle Richtlinien der Gesetzestechnik. Vergleichende Untersuchung der Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und der Schweiz. Springer-Verlag, Berlin 1979 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Einzelnachweise