Halogensauerstoffsäuren

chemische Stoffgruppe von anorganischen Säuren
(Weitergeleitet von Halogenate)

Halogensauerstoffsäuren (auch Halogenoxosäuren) sind eine chemische Stoffgruppe von anorganischen Säuren, die aus Wasserstoff H, einem Halogen „X“ und Sauerstoff O zusammengesetzt sind. Die Beteiligung von Sauerstoff an der chemischen Verbindung unterscheidet sie von der Stoffgruppe der Halogenwasserstoffe, deren Lösungen in Wasser Halogenwasserstoffsäuren genannt werden.[1][2]

Summenformel, Untergliederung

Halogensauerstoffsäuren besitzen die allgemeine Summenformel HXOn (X = F, Cl, Br, I, At; n = 1, 2, 3, 4). Beim Fluor kommt nur eine Halogensauerstoffsäure mit n = 1 vor (Hypofluorige Säure). Beim Iod (und wahrscheinlich auch Astat[3][4][5]) existieren in der höchsten Oxidationsstufe +7 weitere Summenformeltypen, bedeutsam ist insbesondere die „wasserreichere“ Orthoperiodsäure H5IO6.[1][2] Die folgende Tabelle zeigt eine Einteilung der Halogensauerstoffsäuren und ihrer Salze in Untergruppen anhand der Oxidationsstufe des Halogens bzw. (damit korrespondierend) des Summenformeltyps:

Oxidations-
stufe des
Halogens X
SäurenSalze
Name(a)Summen-
formeltyp
NameSummen-
formeltyp(b)
+1(c)Hypohalogenige Säuren
Halogen(I)-säuren
HXOHypohalogenite
Halogenate(I)
MXO
+3Halogenige Säuren
Halogen(III)-säuren
HXO2Halogenite
Halogenate(III)
MXO2
+5Halogensäuren
Halogen(V)-säuren
HXO3Halogenate
Halogenate(V)
MXO3
+7Perhalogensäuren
Halogen(VII)-säuren
HXO4(d)Perhalogenate
Halogenate(VII)
MXO4(d)

Auftreten

Als Reinstoffe isoliert werden konnten bisher lediglich die Hypofluorige Säure HOF (bei tiefen Temperaturen), die Perchlorsäure HClO4, die Iodsäure HIO3, die Metaperiodsäure HIO4 sowie die Orthoperiodsäure H5IO6; eine früher als Triperiodsäure H7I3O14 aufgefasste Substanz ist ein Cokristallisat der beiden letztgenannten Periodsäuren (2 HIO4 · H5IO6). Die übrigen Halogensauerstoffsäuren sind nur in wässriger Lösung und/oder in Form ihrer Salze bekannt, HClO, HClO4, HBrO, HBrO4, HIO3 und HIO4 zudem auch in der Gasphase.[1]

Beim radioaktiven Astat sind nur Untersuchungen mit Spurenmengen möglich.[2][3][4][5][6] Das im Periodensystem in der Halogengruppe (7. Hauptgruppe bzw. 17. IUPAC-Gruppe) unterhalb des Astats in der 7. Periode stehende Element mit der Ordnungszahl 117, Tenness Ts, ist erst seit seiner erstmaligen künstlichen Erzeugung im Jahr 2010 bekannt. Es wurde bislang nur in Mengen von wenigen Atomen generiert/detektiert, welche zudem radioaktiv mit sehr kurzen Halbwertszeiten waren, sodass zu seiner Chemie noch keine gesicherten Informationen vorliegen.

Übersichtstabelle

Die folgende Übersichtstabelle listet die bekannten bzw. postulierten Halogensauerstoffsäuren und die entsprechenden abgeleiteten Salze/Anionen auf, geordnet nach den Halogenen:[1][2][3][4][5][6]

Oxidations-
stufe des
Halogens
SäurenSalze
NameSummen-
formel
Säure-
konstante
(pKS)
[1]
NameSummen-
formel
des Anions
Fluorsauerstoffsäuren
−1Hypofluorige Säure(a)HOF?Hypofluorite(e)FO
Chlorsauerstoffsäuren
+1Hypochlorige Säure(b)(c)HClO7,54Hypochlorite(a)ClO
+3Chlorige Säure(b)HClO21,97Chlorite(a)ClO2
+5Chlorsäure(b)HClO3−2,7Chlorate(a)ClO3
+7Perchlorsäure(a)(c)HClO4−10Perchlorate(a)ClO4
Bromsauerstoffsäuren
+1Hypobromige Säure(b)(c)HBrO7,69Hypobromite(a)BrO
+3Bromige Säure(b)HBrO2?Bromite(a)BrO2
+5Bromsäure(b)HBrO3ca. 0Bromate(a)BrO3
+7Perbromsäure(b)(c)HBrO4?Perbromate(a)BrO4
Iodsauerstoffsäuren
+1Hypoiodige Säure(b)HIO10,64Hypoiodite(b)IO
+3Iodige Säure(b)HIO2?Iodite(b)IO2
+5Iodsäure(a)(c)HIO30,804Iodate(a)IO3
+7Metaperiodsäure(a)(c)HIO4?Metaperiodate(a)IO4
Mesoperiodsäure(d)H3IO5?Mesoperiodate(a)IO53−
Orthoperiodsäure(a)H5IO6pKS1 = 3,29
pKS2 = 8,31
pKS3 = 11,60
Orthoperiodate(a)H5−nIO6n−
(n = 1, 2, 3, 5)
Metadiperiodsäure(d)H4I2O9?Metadiperiodate(a)I2O94−
Mesodiperiodsäure(d)H6I2O10?Mesodiperiodate(a)H6−nI2O10n−
(n = 3, 4, 5, 6)
Orthodiperiodsäure(e)H8I2O11?Orthodiperiodate(e)H8−nI2O11n−
Astatsauerstoffsäuren
+1Hypoastatige Säure(f)HAtO?Hypoastatite(f)AtO
+3Astatige Säure(f)HAtO2?Astatite(f)AtO2
+5Astatsäure(f)HAtO3?Astatate(f)AtO3
+7Perastatsäure(f)HAtO4 /
H5AtO6?
?Perastatate(f)AtO4 /
H5−nAtO6n−?

Strukturen

In den Molekülen aller Halogensauerstoffsäuren ist der als Proton abdissoziierbare Wasserstoff H stets nicht direkt, sondern über ein Sauerstoffatom O an das zentrale Halogenatom X gebunden, sodass die Summenformelschreibweise HXOn gelegentlich zu HOXOn−1 modifiziert wird, um die Molekülkonstitution etwas besser zum Ausdruck zu bringen. Hierbei sind die H–O–X-Gruppierungen gewinkelt, beispielsweise betragen bei den Hypohalogenigen Säuren die Bindungswinkel 97,2° (HOF), 103° (HOCl) und 110° (HOBr). Entsprechend dem VSEPR-Modell sind auch die O–X–O-Einheiten in den Halogenigen Säuren/Halogeniten gewinkelt, die XO3-Einheiten in den Halogensäuren/Halogenaten sind trigonal-pyramidal und die XO4-Einheiten in den Perhalogensäuren/Perhalogenaten sind tetraedrisch. In festen Mesoperiodaten befinden sich quadratisch-pyramidale IO5-Einheiten, in Orthoperiodsäure/Orthoperiodaten oktaedrische IO6-Einheiten. Zwei über eine gemeinsame Fläche, Kante bzw. Ecke verknüpfte IO6-Oktaeder liegen in den festen Metadiperiodaten, Mesodiperiodaten bzw. (noch hypothetischen) Orthodiperiodaten vor. Die feste Metaperiodsäure HIO4 ist polymer aufgebaut („Polyperiodsäure“ (HIO4)x) aus verzerrten IO6-Oktaedern, die jeweils mit zwei IO6-Nachbaroktaedern versetzt kantenverknüpft sind und so Ketten bilden.[1]

Säure-Base-Eigenschaften

Die Säurestärke der Halogensauerstoffsäuren (HXOn → H+ + XOn) zeigt folgende Trends: Sie nimmt zu mit steigender Anzahl n der Sauerstoffatome (beispielsweise ist Chlorige Säure HClO2 eine stärkere Säure als Hypochlorige Säure HClO) und von unten nach oben in der Halogengruppe, also von den schwereren zu den leichteren Halogenen (beispielsweise wächst die Säurestärke von der Iodsäure HIO3 über die Bromsäure HBrO3 zur Chlorsäure HClO3). Dementsprechend ist die Perchlorsäure HClO4 die stärkste Säure. Die Basizität der Halogensauerstoffsäuren (HXOn + H+ → H2XOn+) folgt einem gegenläufigen Trend, ist aber insgesamt nur sehr schwach ausgeprägt. In den reinen Säuren tritt in geringem Ausmaß Autoprotolyse (2 HXOn → H2XOn+ + XOn) auf.[1]

Redox-Eigenschaften

Die Redoxpotentiale der Halogensauerstoffsäuren bzw. ihrer korrespondierenden Oxoanionen sind pH-Wert-abhängig: In saurer Lösung weisen sie durchgängig hohe positive Werte auf (→ starke Oxidationsmittel); die höchsten Normalpotentiale bei pH = 0 besitzen Perbromsäure und Perastatsäure mit ≥ +1,85 V (bezogen auf eine Reduktion zur Stufe der Bromsäure bzw. Astatsäure). Mit zunehmendem pH-Wert nehmen die Redoxpotentiale zwar ab, sind aber auch in stark alkalischer Lösung bei pH = 14 noch positiv, sodass auch hier noch oxidierende Wirkung vorhanden ist. Zugleich aber sind die Halogensauerstoffsäuren bzw. ihre korrespondierenden Oxoanionen – bei einer Oxidationsstufe des Halogens kleiner als +7 – prinzipiell Redoxamphotere, das heißt, sie können gegenüber stärkeren Oxidationsmitteln auch als Reduktionsmittel auftreten. Daher sind in Abhängigkeit vom pH-Wert zudem Disproportionierungsreaktionen bzw. Komproportionierungsreaktionen möglich.[1][2]

Darstellung

Für die Darstellung der Halogensauerstoffsäuren bzw. ihrer Salze existieren verschiedene Wege, unter anderem:

Wichtige technische Produkte sind vor allem wässrige Lösungen von Hypochloriger Säure HClO und Perchlorsäure HClO4 sowie Hypochlorite, Chlorite, Chlorate, Perchlorate, Bromate und Periodate als feste Salze.[1]

Literatur

Einzelnachweise

Abgerufen von „https:https://www.search.com.vn/wiki/index.php?lang=de&q=Halogensauerstoffsäuren&oldid=244314417
🔥 Top keywords: Wikipedia:HauptseiteSpezial:SucheFußball-Europameisterschaft 2024Sabine DöringKylian MbappéSpecial:MyPage/toolserverhelferleinconfig.jsAntoine GriezmannRalf RangnickFußball-EuropameisterschaftDomenico TedescoJodie DevosFußball-Europameisterschaft 2021Marko ArnautovićBastian SchweinsteigerDavid AlabaRomelu LukakuListe der größten AuslegerbrückenFußball-Weltmeisterschaft 2022SlowakeiMatija ŠarkićChristoph KramerStraßenbahnunfall in der Grüne (Iserlohn)Fußball-WeltmeisterschaftN’Golo KantéÖsterreichische BundeshymneFußball-Weltmeisterschaft 2026Aufstand vom 17. Juni 1953Der Garten der Finzi ContiniAlmuth SchultMarcel Sabitzer17. JuniDidier DeschampsHauptseiteChatGPTWikipedia:Wiki Loves Earth 2024/DeutschlandUrsula von der LeyenSchmökerJosef FritzlBettina Stark-Watzinger