Germania (Briefmarke)

Briefmarkenserie

Die Germania-Briefmarkenserien sind Freimarkenausgaben des Deutschen Reiches mit dem Bildnis Germanias, die in den Jahren 1900 bis 1922 verwendet wurden. Diese Briefmarkenserien zählen zu den bekanntesten und langlebigsten Deutschlands und sind ein beliebtes Sammelgebiet unter Philatelisten.

Originalskizze von Paul Eduard Waldraff zur Gestaltung der Germania-Marke. Bei der zusätzlich abgebildeten Briefmarke handelt es sich um Michel-Nummer 56b von 1900

Teilweise werden der Germania-Serie auch die nach oben ergänzenden Mark-Werte Repräsentative Darstellungen des Deutschen Kaiserreichs zugeschlagen, obwohl weder Form noch Motiv und Briefmarkenkünstler identisch sind. Das einzige, was beide Serien miteinander verbindet, sind die Ausgabejahre und die Verwendungsdauer.

Ausgabeanlass

Die Briefmarkenserie Germania umfasst insgesamt 60 Werte (ohne Untertypen) in unterschiedlichen Ausführungen und löste als vierte Dauerserie der Reichspost die Ausgaben „Brustschilde“ (MiNr. 1–30), „Pfennige“ (Ziffern bzw. Reichsadler, MiNr. 31–36) und „Pfennig“ (gleiche Zeichnung mit veränderter Wertangabe, MiNr. 39–44) und „Krone - Adler“ (MiNr. 45–52) ab. Das neutrale Muster der Germania wurde gewählt, um nicht durch die Abbildung des Kaisers die Übernahme des bayerischen und württembergischen Postwesens zu erschweren und um einen Kontrast zu den vorhergehenden Serien darzustellen. Hierfür stand die Schauspielerin Anna Führing Modell. Die selbst von Kaiser Wilhelm II. angenommenen Entwürfe für die Briefmarkenserie stammten von Paul Eduard Waldraff (1870–1917). Dieser schrieb im Nachhinein über das Ausgabeverfahren:[1]

„Von der Tür ausgehend schreitet der Allerhöchste Kunstkenner in kaum vermindertem Tempo die Staffeleien ab, gefolgt von seinem Adjutanten. Wieder bei der Tür angekommen, macht der Kaiser kehrt, geht quer durch den Saal gerade auf die Germania zu und spricht, mit dem Finger kurz auf sie deutend das entscheidende und einzige Wort ›Die‹. Draußen war er.“

Paul Eduard Waldraff

Das Vorbild für das Porträt der Germania gab die Schauspielerin Anna Führing.

Ausführungen

Von den Germania-Marken existieren zahlreiche Ausführungen. Die Inschrift lautete anfangs Reichspost, später Deutsches Reich. Zahlreiche Überdrucke wurden für die Auslandspostämter in China, Marokko und der Türkei, die im Ersten Weltkrieg besetzten Gebiete, aber auch für das bayerische Postgebiet, das nach dem Ersten Weltkrieg mit dem deutschen vereinigt wurde, die Abstimmungsgebiete Allenstein und Marienwerder, für das Saargebiet, Danzig und das Memelland sowie für die Herstellung von Wohltätigkeitsmarken angefertigt.

Bei der Bildgestaltung treten zwei Varianten auf: Bei den meisten Werten ist die Germania vor einem waagerecht schraffierten Hintergrund abgebildet, bei einigen Werten jedoch vor einem nicht schraffierten (weißen) Hintergrund.

Als Dauermarkenserie wurde die Germania auch auf Ganzsachen als Wertstempel für Postkarten, Kartenbriefe und Rohrpostbriefumschläge benutzt. Die Sonderpostkarte zur Jahrhundertwende wurde offiziell seit dem 28. Dezember 1899 verkauft, die früheste Verwendung stammt jedoch schon vom 24. Dezember 1899.[2]

Specimen

Die Marken kommen auch mit dem Aufdruck „Specimen“ (als amtliche Orientierungsmuster, meist bei der Neuausgabe,[3] z. B. zur Vorlage an den Weltpostverein) vor.

Nachahmungen

Für das Spiel Kinderpost gab es Nachahmungen der Germaniamarke, der Schriftzug war hier bei einigen Herstellern Kinderpost (bei anderen entsprachen sie bis auf eine Größenabweichung den Originalmarken).[4]

Fälschungen

Während des Ersten Weltkriegs wurden von britischer Seite die Werte zu 10 Pfennig und zu 15 Pfennig gefälscht (Michel-Nr. 86 PFä und 101 PFä). Die Fälschungen sind u. a. an ihrem kalkweißen Papier und den zu schmalen Linien des Wasserzeichens zu erkennen.

Im Jahr 1902 wurden mehrere Briefmarkenfälschungen zum Schaden der Post vorgenommen, so die als „Chemnitzer Fälschung“ bekannte Fälschung der 10-Pfennig-Marke (Mi.-Nr. 71) und die sogenannte „Deistel-Fälschung“. Zu weiteren Fälschungen kam es im Jahr 1916 in Köln und in Hannover. Eine weitere Fälschung (sogen. Kölner Fälschung) ist die der 1920 ausgegebenen 60-Pfennig-Marke (Michel-Nr. 147 PFä).[5] Auch die Aufdruckmarken aus dem Jahr 1921 wurden gefälscht (Mi.-Nr. 154, 156, 157).[6]

Liste der Marken

Deutsches Reich

Inschrift: Reichspost

Mit der Inschrift Reichspost sind am 1. Januar 1900 insgesamt zehn Postwertzeichen erschienen. Am 13. April 1901 wurde als so genannte Vineta-Provisorium der Wert zu 5 Pfennig (Michel-Nummer 55) halbiert und mit violettem Aufdruck zu 3 Pfennig verkauft. Alle Marken waren bis einschließlich 31. Dezember 1902 gültig.

BildWert in PfennigFarbeAusgabetagMichel-Nr.
2hell- bis dunkelblaugrau4. Juli 190053
3olivbraunFebruar 190054
5hell- bis dunkelgrünMärz 190055
10karminrosa, rot30. Dezember 189956
208. Januar 190057
2510. März 190058
3027. Dezember 189959
4027. Dezember 189960
5020. Dezember 189961
801. Januar 190062
3grün (3 auf 5 Pfennig halbierte Marke, Vineta-Provisorium, Mi-Nr. 55 halbiert mit violettem Aufdruck)13. April 1901(ehemals 67)
jetzt: Verwendungsvariante „A I“

Inschrift: Deutsches Reich

Die ab dem 1. April 1902 erschienenen Marken trugen die Aufschrift Deutsches Reich. Um den Weltkrieg finanzieren zu können, wurden mittels der Reichsabgabe ab 1916 verschiedene Postgebühren erhöht; dies führte zur Herausgabe zusätzlicher Werte (2½ Pfennig; 7½ Pfennig; 15 Pfennig) und zur erneuten Herausgabe einer Marke zu 2 Pfennig, jeweils mit nicht schraffiertem Hintergrund. Im Januar 1920 erschienen Neuausgaben der Werte 5 Pfennig, 10 Pfennig, 15 Pfennig, 20 Pfennig, 30 Pfennig, 40 Pfennig, 50 Pfennig, 60 Pfennig, 75 Pfennig und 80 Pfennig in geänderten Farben (Michel-Nr. 140 bis 149). Im Dezember 1920 kamen die Werte 1 Mark, 1 1/4 Mark, 2 Mark und 4 Mark (in Germania-Zeichnung) hinzu (Michel-Nr. 150 bis 153). Die Marken waren infolge der beginnenden Inflation bis zum 31. Oktober 1922 gültig. Die letzte Neuausgabe erschien am 2. April 1922.

Die vier im August 1921 erschienenen Marken (Michel-Nummern 154 bis 157) wurden am 20. Januar 1922 vom Schalterverkauf zurückgezogen und nur noch im Innendienst verwendet. Postkunden durften diese Marken nach dem genannten Datum nicht mehr verwenden.

BildWert in PfennigFarbeAusgabetagMichel-Nr.
21. April 190268
1. April 1902
801. April 190277
21905/191183
321. Oktober 1905
1911
84
1905/1911
801905/191193
2,51. August 1916/Mai 191798
1. August 1916/Mai 191799
1. August 1916/Mai 1917100
1. August 1916/Mai 1917101
1. August 1916/Mai 1917102
1. August 1916/Mai 1917103
1. August 1916/Mai 1917104
10+5Kriegsbeschädigtenhilfe Michel 86 mit Aufdruck1. Mai 1919105
15+5Kriegsbeschädigtenhilfe Michel 101 mit Aufdruck1. Mai 1919106
Januar 1920140
10gelblich- bis rötlichorange2. September 1920141
… mit AufdruckJanuar 1920153
1,60 Mark… mit AufdruckAugust 1921154
3 Mark… mit AufdruckAugust 1921155
5 Mark… mit grünem AufdruckAugust 1921156
10 Mark… mit AufdruckAugust 1921157
75lebhaft lilakarmin2. April 1922197
1 1/4mittelbräunlich, rot, dunkellila2. April 1922198

Markenheftchen

Neben den Einzelmarken kamen von 1910 bis 1921 auch von der Post ausgegebene Markenheftchen in insgesamt 15 Serien in den Verkehr, die neben den Briefmarken auch ein Deckblatt und mehrere, meist mit Werbung bedruckte Zwischenblätter enthielten.[7][8]

Bayern

In Bayern, das noch bis Mitte 1920 über ein eigenes Postregal verfügte, wurden Germania-Marken mit dem Aufdruck „Freistaat Bayern“ ab Mai 1919 in den Wertstufen 2½, 3, 5, 7½, 10 15, 20, 25, 35, 40, 75 und 80 Pfennig ausgegeben (Michel-Nr. 136 bis 147).

Dienstmarken

Die 1903 in Preußen und 1905 in Baden herausgegebenen Dienstmarken dienten dazu, die tatsächlichen Portobeträge der Dienstsendungen innerhalb der beiden Länder zur Neufestsetzung eines der Reichspost zu zahlenden Pauschalbetrages einmalig zu ermitteln.

Bei der Gestaltung der Marke bediente man sich des Briefmarkenrahmens der Dauermarkenserie Germania.

Bei der Ausgabe für Preußen stand im Briefmarkenrahmen Frei durch Ablösung Nr. 21. Die acht Marken galten nur innerhalb des Jahres 1903.

Bei der Ausgabe für Baden stand im Briefmarkenrahmen Frei durch Ablösung Nr. 16 in schräger Schrift. Die sechs Marken galten nur innerhalb des Jahres 1905.

Weitere Nutzung in den deutschen Auslandspostämtern, in den besetzten Gebieten usw.

Deutsche Auslandspostämter

Die Germania-Serie erschien mit Überdrucken, teils Handstempelaufdrucke (China), meist Aufdrucke im Buchdruck,[9] so: „Deutsche Post …“

In den deutschen Kolonien wurde statt der Germania-Marken ein einheitliches Markenbild mit der Kaiseryacht benutzt.

Deutsche Besetzungsausgaben des Ersten Weltkrieges

Deutsche Abstimmungsgebiete und Nachnutzungen

  • Libau (Liepāja). In der Stadt, die ab dem 2. Januar 1919 unter der Verwaltung des unabhängig gewordenen Lettland stand, wurde der Postverkehr zunächst von der dort verbliebenen deutschen 8. Armee besorgt, die vorhandene Germania-Marken in kleiner Auflage mit einem schrägen violettblauen oder roten Handstempelaufdruck „LIBAU“ versah und ab 2. Januar 1919 in den Verkehr brachte. Dies wurde vom Reichspostamt am 11. Januar 1919 untersagt, der Aufbrauch der vorhandenen Bestände wurde jedoch gestattet.[10][11]
  • Oberschlesien (Ausgabe der französischen Besatzungsbehörde Commission Interalliée de Gouvernement et de Plébiscite de Haute-Silésie, sogenannte Oppelner Notausgabe) ab Februar 1920, mit Handstempelaufdruck „C.I.H.S.“ in Brücke auf Kreis[12][13]
  • Marienwerder, mit dreizeiligem Aufdruck „Commission Interalliée Marienwerder“, teils mit Aufdruck eines neuen Werts. Bei den von einer lokalen Druckerei hergestellten Aufdrucken gibt es zahllose Varianten.[14]
  • Allenstein, mit schwarzem dreizeiligem Aufdruck „PLÉBISCITE OLSZTYN ALLENSTEIN“ (ab 3. April 1920) bzw. Aufdruck im Hochoval (ab Mai 1920)
  • Saargebiet, Aufdruck zunächst „Sarre“, später „SAARGEBIET“, teilweise in Zierschrift mit neuem Saarwappen
  • Memelgebiet (Völkerbundsmandat)
  • Danzig (Freie Stadt). Für Danzig erfolgten die ersten Aufdrucke durch die Reichsdruckerei Berlin, spätere (ab 10. August 1920) durch die Druckerei Julius Sauer in Danzig. Bemerkenswert ist die Vielzahl unterschiedlicher, meist farbiger Aufdruckgestaltungen.
  • Polen (durchgestrichener Aufdruck Gen.-Gouv. Warschau und weiterer Aufdruck Poczta Polska, teils mit weiterem Wertaufdruck, Mi.-Nr. 6–16, sowie Aufdruck Poczta Polska auf Germania-Marken des Deutschen Reichs, Mi.-Nr. 130–134 („erste Posener Aushilfsausgabe“[15]), und Marken des Deutschen Reichs mit neuem Wertaufdruck, Mi.-Nr. 135 und 136, auf Werten 2 und 7½ Pfennig, „zweite Posener Aushilfsausgabe“, diese Ausgabe (Auflage: je 20 000 Stück) ist dadurch bemerkenswert, dass nur große neue Wertziffern – 5 und 10 – (im Buchdruck und im autographischen Verfahren) aufgedruckt sind, aber keine weiteren Angaben[16]), weiter polnische Lokalausgaben mit lokalen Aufdrucken in Alexandrowo, Baranów, Błonie, Brzeziny, Ciechocinek, Grodzisk, Izbica, Kalisz, Łęczyca, Łowicz, Łuków, Ostrolęka, Ostrów, Ozorków, Plońsk, Poddębice, Pultusk, Sieradz, Skiernewice, Włocławek[17] und Zduńska Wola.
Commons: Germania – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Anna Führing als Germania – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Deutsche Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte (DGPT) als Herausgeber:
  • Michel-Katalog
    • Deutschland-Spezial
    • Briefe-Katalog Deutschland
    • Ganzsachen-Katalog Deutschland
  • Handbuch Germania-Marken, zusammengestellt und herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Germania-Marken e. V. im BDPh e. V., Loseblatt, 1988 ff (nicht abgeschlossen)
  • Hans Friedrich: Die Germania-Marken des Deutschen Reiches – Eine Studie über den Aufbau einer Spezialsammlung der Germania-Marken im Reichsgebiet. In: Philatelie und Postgeschichte, Hrsg.: Stiftung zur Förderung der Philatelie und Postgeschichte e. V., Bonn-Bad Godesberg, Nr. 29; 1974
  • Hans Friedrich: Die Germania-Marken des Deutschen Reiches. In: Handbuch Germania-Marken, Register 25, S. 010.901.01-24
  • Michael Jäschke-Lantelme: 100 Jahre Germania, Dessau 1999, 339 S.
  • Deutsche Briefmarken-Revue
    • Andreas Hahn: Entwürfe der Germania-Serie. (Fortsetzungsartikel) ab Ausgabe Nr. 9/2002, S. 15 f
    • Ausgabe 10/1990

Einzelnachweise