Flugplatz Brandis-Waldpolenz

Ehemaliger Militärflugplatz in Brandis, Landkreis Leipzig, Sachsen

Der Flugplatz Brandis-Waldpolenz war ein deutscher Fliegerhorst im ehemaligen Muldentalkreis in Sachsen.Der Flugplatz hatte einen eigenen Gleisanschluss an der Bahnstrecke Beucha–Trebsen.

Flugplatz Brandis-Waldpolenz
Brandis (Sachsen)
Brandis (Sachsen)
Brandis
Lokalisierung von Sachsen in Deutschland
Kenndaten
Koordinaten

, 12° 39′ 25″ O51° 19′ 42″ N, 12° 39′ 25″ O

Höhe über MSL180 m  (591 ft)
Verkehrsanbindung
Entfernung vom Stadtzentrum3 km östlich von Brandis
Basisdaten
Eröffnung1936
Start- und Landebahn
08/262200 m × 30 m Beton



i7i11i13

BW

Geschichte

Der Flugplatz wurde für die Blindflugschule 1 1934/1935 mit einer 1800 Meter langen und 80 Meter breiten Start- und Landebahn (SLB) erbaut. Der Flugplatz wurde unter anderem als Erprobungsplatz der Junkers AG in Dessau genutzt, so wurde hier unter anderem das Experimentalflugzeug Sack AS-6 getestet. Eine zweite SLB sowie eine Endmontagehalle für den Raketenjäger Me 163 konnte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nicht fertiggestellt werden. Von November 1943 bis Anfang April 1944 rüstete hier die II./Kampfgeschwader 1 auf die Heinkel He 177 um. In den Jahren 1944/45 wurde der Platz mehrfach durch die United States Army Air Forces (USAAF) bombardiert sowie durch ein deutsches Sprengkommando beschädigt. Die folgende Tabelle zeigt eine Auflistung ausgesuchter fliegender aktiver Einheiten (ohne Schul- und Ergänzungsverbände) der Luftwaffe die hier zwischen 1939 und 1945 stationiert waren.[1]

VonBisEinheitAusrüstung
August 1939September 1939Stab, I./JG 3 (Stab und I. Gruppe des Jagdgeschwaders 3)Messerschmitt Bf 109E
Oktober 1939Oktober 1939Wekusta 1 (Wettererkundungsstaffel 1)Heinkel He 111, Junkers Ju 86P
August 1943Mai 1944IV./NJG 5 (IV. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 5)Messerschmitt Bf 110C-7, Bf 110G-2, Bf 110G-4, Bf 110F-4
November 1943April 1944II./KG 1 (II. Gruppe des Kampfgeschwaders 1)Heinkel He 177A-3
März 1944Mai 1940III./NJG 5Messerschmitt Bf 110G-4, Bf 110F-4
April 1944August 1944I./KG 1Heinkel He 177A-3
Juli 1944September 1944Erg.St./JG 400Messerschmitt Me 163A, Me 163B
August 1944August 1944II./KG 1Heinkel He 177A-3, He 177A-5
August 1944April 1945I./JG 400Messerschmitt Me 163B-1, Me 163B-2
Dezember 1944Februar 1945II./JG 400Messerschmitt Me 163B-1
März 1945März 1945II./LG 1 (II. Gruppe des Lehrgeschwaders 1)Junkers Ju 88A-4, Ju 88S-3
April 1945April 1945I., III./JG 7Messerschmitt Me 262A-1

Am 17. April 1945 besetzte die USAAF das Gelände, am 2. Juli 1945 dann die Rote Armee. In den beiden darauffolgenden Jahren wurden die beschädigten Flugplatzgebäude wiederaufgebaut oder abgerissen. Im Jahr 1954 wurden die ersten MiG-15-Strahljäger stationiert, später lagen in Brandis hauptsächlich Schlachtflieger- und Hubschraubereinheiten. Von 1955 bis 1961 wurde Brandis hauptsächlich als Reserveplatz genutzt. Etwa ab 1960 erfolgte der kontinuierliche Ausbau der Infrastruktur, die SLB wurde verlängert, eine Vorstartlinie sowie neue Rollwege angelegt. Seit Anfang der 1960er-Jahre war hier das 239. selbständige Garde-Hubschrauberregiment mit Mi-4, Mi-6, Mi-8 und Mi-10 stationiert. In den 1970er Jahren kamen eine Wartungshalle für die ab 1969 stationierten Hubschrauber Mi-2 einer selbständigen Hubschrauberabteilung und weitere Wohngebäude für die stationierten Militärangehörigen hinzu. Ein Wechsel der Stationierung folgte 1977, die Transporthubschrauber verließen den Standort Richtung Oranienburg. Stattdessen folgte das 225. selbständige Kampfhubschrauberregiment mit Mi-8 und Mi-24, das 1985 weiter nach Allstedt verlegte. In den Jahren 1985/86 wurde aufgrund der Neustationierung des 357. selbständigen Schlachtfliegerregiments die Vorstartlinie erneuert und offene Splitterschutzbauten für die Flugzeuge angelegt. Im Jahr 1989 wurde das 485. selbständige Hubschrauberregiment auf dem Flugplatz neu formiert; es setzte sich aus vier anderen auf mehreren Flugplätzen stationierten Kampfhubschrauberstaffeln zusammen.[2] Aufgrund Platzmangels verließ daher die wenige Jahre zuvor hier stationierte 269. Drohnenstaffel den Flugplatz Richtung Dresden-Hellerau.[3]

Die letzten Flüge sowjetischer Einheiten erfolgten im April 1992 durch Su-25-Flugzeuge des 357. selbständigen Schlachtfliegerregiments und am 29. Mai gleichen Jahres durch Mi-8 und Mil Mi-24 des 485. selbständigen Hubschrauberregiments.[4] Im August fanden die letzten Materialtransporte durch An-12 und Il-76 statt. Anschließend wurde das Gelände an die deutschen Behörden übergeben.

Su-25 des 357. OSchAP in Brandis (1991)
VonBisEinheit[5]AusrüstungAnmerkungen[6]
19481949133. Gw IAP (Gardejagdfliegerregiment, ab 1949 684. Gw IAP)Jak-3 und Jak-9eventuell der 234. IAD (Jagdfliegerdivision) unterstellt
19491951845. IAP (Jagdfliegerregiment)Jak-9
19521953197. Gw TAP (Gardetransportfliegerregiment)Li-2
19531954unbekanntes SchAP (Schlachtfliegerregiment)IL-10Bezeichnung nicht sicher, lediglich der Gardestatus ist bekannt
1954195631. Gw IAP (?)MiG-15Stationierung nicht gesichert, in Frage kommt auch der Standort Falkenberg
19621977239. Gw OWP (Selbständiges Gardehubschrauberregiment)Mi-4, Mi-6, Mi-8 und Mi-10Aufstellung am 11. Juni 1938 als 239. OAP (Selbständiges Fliegerregiment) und unter anderem mit Li-2 ausgerüstet (Stand August 1945); über Fernost und Ungarn im November 1959 in der DDR zunächst in Fürstenwalde stationiert, ab 1962 in Brandis und im September 1977 nach Oranienburg verlegt,
Direktunterstellung unter den Stab der GSSD
19691989unbekannte OWO (Hubschrauberabteilung)
330. OWE OP (Selbständige Hubschrauberstaffel zur Feuerunterstützung)
Mi-2 und Mi-8,
später auch Mi-9 und Mi-24

Teil der AA (Armeefliegerkräfte) mit Unterstellung zur 9. TD (Panzerdivision) in Riesa
19771985225. OBWP (Selbständiges Kampfhubschrauberregiment)Mi-8 und Mi-24Aufstellung in den 1970ern als Verband der AA, spätestens in den 1980ern der 1. Gw TA (Gardepanzerarmee) in Dresden unterstellt, zum Großteil in Allstedt stationiert,
im Mai 1991 als erster Verband der AA aus Deutschland abgezogen und nach Protassowo verlegt
19851986327. OWE OPMi-2, Mi-8, Mi-9 und Mi-24Verband der AA mit Unterstellung zur 57. Gw MSD (Motorisierte Gardeschützendivision) in Naumburg
19851992357. OSchAP (Selbständiges Schlachtfliegerregiment)Su-25 und L-39Aufstellung im Oktober 1984 in Pruschany, im Oktober 1985 nach Brandis verlegt, Bestand im Juli 1986: 35 Flugzeuge,
am 23. März 1992 Rückverlegung der ersten sechs L-39 nach Russland, im April 1992 Abgabe von acht Su-25 an das 368. OSchAP in Tutow, Rückverlegung der restlichen Su-25 vom 22. bis 28. April 1992 von Brandis nach Buturlinowka
19851989269. OEBSR (Selbständige Staffel unbemannter Aufklärungsflugzeuge)WR-3
(Aufklärungsdrohne)
der 1. Gw TA in Dresden unterstellt; 1989 nach Dresden–Hellerau verlegt; dort bis 1990
19891992485. OWP BU (Selbständiges Hubschrauberregiment der Kampf- und Gefechtsführung)Mi-8, Mi-9 und Mi-24Verband der AA; aufgestellt 1988 mit Unterstellung unter die 1. Gw TA in Dresden, Anfangsbestand 18 Hubschrauber, eine Staffel war bis Juni 1991 in Merseburg stationiert,
Rücküberführung staffelweise jeweils am 25., 27. und 29. Mai 1992 nach Alakurtti

Im Jahr 1994 wurde das Gelände an einen Privatmann zur Nutzung verpachtet. Bis 2005 war der Flugplatz für Sichtflug (VFR) geöffnet. Unter anderem gab es hier eine Flugschule und der Leipziger Anbieter für Luft-Taxi-Dienste und Rundflüge mit Hubschraubern, LipsAir, hatte hier seine Basis. Seit dem 30. Oktober 2005 ist der Platz geschlossen.

Gegenwart

In den Jahren 2007 bis 2008 sowie 2011 errichtete ein Unternehmen aus Wörrstadt auf dem ehemaligen Flugplatzgelände den Solarpark Waldpolenz.2012 wurde mit der Planung und Realisierung einer Biogasanlage begonnen. Die Anlage wurde im September 2013 in Betrieb genommen.[7] Im März 2021 sind noch 24 Gebäude, darunter zwei Typen von ostblocktypischen Häusern, Garagengebäude, wo Fahrzeuge jeglicher Art Platz fanden, ein Tower, eine Kaserne und zwei weitere Arten von Gebäuden, wo nicht geklärt ist, welche Funktion diese einnahmen, vorhanden. Des Weiteren stehen noch alle drei Hangars, wobei zwei sehr stark beschädigt sind. Der besser erhaltene Hangar wurde bis 2005 vom Leipziger Unternehmen Lipsair AG genutzt und später als Airsoft-Halle. Vorhanden sind weiterhin sechs verschiedene Typen von Bunkeranlagen wie Luftschutzbunker für Personen, Stromgeneratoren oder Heizanlagen, Bunker für Boden- und Luftfahrzeuge und zwei Bunker ungeklärter Funktion. Eine genaue Anzahl der Bunkeranlagen ist nicht bekannt, da viele sehr versteckt liegen und/oder nicht zugänglich sind. Überall auf dem Gelände sind Zugänge zur ehemaligen Kanalisation, wobei alle bis auf einen Zugang verfüllt sind.

Varia

  • Für die Erweiterung des Flugplatzes in den 1940er-Jahren wurde die Villa des Leipziger Textilunternehmers und Widerstandskämpfers Walter Cramer enteignet und abgerissen. Eine Infotafel am ehemaligen Standort der Villa etwas außerhalb von Leulitz (Bennewitz) an der Start- und Landebahn erinnert heute an das Gebäude und seinen Besitzer.[8]
  • Im Jahr 1970 wurde die angeblich stark geschädigte Turmhaube mit Laterne der Kirche Polenz in Polenz abgetragen. Gründe dafür waren neben fehlenden Baukapazitäten wohl auch das Bestreben der DDR-Behörden, Einblick in den nahe gelegenen Flugplatz Brandis-Waldpolenz, der von der Sowjetarmee der UdSSR genutzt wurde, zu verhindern.

Galerie

Literatur

  • Benjamin Winkler: Funkstille im Wald. Einst Wehrmachtsgelände, später sowjetischer Luftwaffenstützpunkt: Doch seit dem Abzug der russischen Streitkräfte gleicht der Fliegerhorst Brandis-Waldpolenz einer Geisterstadt. Nun ist er dem Ende geweiht und wird abgerissen. Eine Entdeckungstour zwischen Ruinen mit beeindruckenden Bildern. Militärromantik inklusive. In: Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Muldental, 28. Februar 2015, S. 31 (ganzseitige Reportage mit ergänzender Fakten-Auflistung)
  • Simone Prenzel: Abriss einer Geisterstadt. Auf einer der größten Militärbrachen Ostdeutschlands haben die Abrissarbeiten begonnen. Eine ganze Stadt verschwindet in diesen Tagen in Waldpolenz von der Bildfläche. An Unterkünften für Soldaten und Offiziere, die hier bis 1992 stationiert waren, setzt der Bagger unbarmherzig die Zange an. In: Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Muldental, 8. August 2014, S. 27 (fast ganzseitiger Bericht)
  • Stefan Büttner: Rote Plätze. Russische Militärflugplätze Deutschland 1945–1994. Fliegerhorste – Aerodrome – Militärbrachen. Hrsg.: Lutz Freundt. AeroLit, Berlin 2007, ISBN 978-3-935525-11-4.
  • Jürgen Zapf: Flugplätze der Luftwaffe 1934–1945 – und was davon übrig blieb Band 2 – Sachsen. Hrsg.: VDM Heinz Nickel. VDM Heinz Nickel, Zweibrücken 2002, ISBN 978-3-925480-62-1.
  • Stephen Ransom: Zwischen Leipzig und der Mulde. Flugplatz Brandis 1935–1945. Stedinger, Lemwerder 1996, ISBN 3-927697-09-5.
  • Stephen Ransom: Flugplatz Brandis bis 1945; Birgitt Jäger: Der Flugplatz Waldpolenz nach dem Zweiten Weltkrieg. S. 88–94 sowie S. 95–96 in: Stadt Brandis: Brandis – Geschichte einer sächsischen Kleinstadt. 136 Seiten. Beucha 1996, ISBN 3-930076-38-1
Commons: Flugplatz Brandis-Waldpolenz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Quelle