Belfried

profaner Glockenturm
(Weitergeleitet von Beffroi)

Als Belfried (niederländisch Belfort, französisch beffroi, beffroy oder belefroi) wird ein hoher, schlanker Glockenturm bezeichnet, der besonders für flämische Städte typisch ist.

Verbreitung der Belfriede in Belgien und Nord-Frankreich, die zum Weltkulturerbe gehören

Funktion

Die meisten Belfriede wurden zur Zeit der Gotik gebaut und gehören zu den bedeutendsten Profanbauten des Mittelalters. Ihnen gingen häufig hölzerne Türme voraus, von denen keiner erhalten ist. Sie wurden von den weltlichen Stadtbehörden oder den Zünften bzw. Gilden als Symbol der bürgerlichen Macht errichtet, auch gegenüber jener der Kirche. In der Regel ist der Belfried mit dem Rathaus verbunden oder befindet sich freistehend daneben.

Als sicherster Ort einer Stadt beherbergte der Turm in seinem Innern meist das Stadtarchiv, die Schatzkammer und oft auch ein Gefängnis. Darüber hinaus diente er als Wachturm (um Feinde, aber auch Stadtbrände schnell zu entdecken) und zum Ausrufen öffentlicher Angelegenheiten. Diese Aufgaben wurden vom Türmer wahrgenommen. Eine Stadtglocke, ab dem 16. Jahrhundert auch das Carillon, dessen Hauptverbreitungsgebiete ebenfalls in Belgien, Nordfrankreich und den Niederlanden liegen, strukturierte die Zeit und gab das Signal zum Öffnen und Schließen der Stadttore, markierte Anfang und Ende der Arbeitszeit oder läutete zu Festivitäten. Ähnliche Funktionen wie der städtische Belfried weisen auch der Donjon und der Bergfried einer Burg auf.

Belfriede in Belgien und Frankreich

23 Belfriede in Nordfrankreich (Französisch-Flandern) und 33 Belfriede in Belgien wurden 1999 und 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. In die Liste wurden mit den eigentlichen Belfrieden auch einige Kirchtürme aufgenommen, diese sind in der Liste kursiv markiert. Belfriede sind ein flämisches Architekturphänomen, daher sind die flämischen Namen der französischen oder wallonischen Städte in Klammern beigefügt.

WKE = Weltkulturerbe
StadtRegionBauzeitHöheWKE seitBesonderheitenBild
Aalst
(frz. Alost)
Belgien, Ostflandern14601999spätgotisch; ersetzte einen Eckturm aus dem 13. Jahrhundert, der damit der älteste im Bereich der Niederlande war; Carillon mit 52 Glocken
Abbeville
(Abbekerke)
Frankreich, Somme198627 m2005im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört und bis 1986 nicht originalgetreu rekonstruiert
Aire-sur-la-Lys
(Ariën aan de Leie)
Frankreich, Pas-de-Calais172445 m2005Vorgängerbau von 1355; nach dem Ersten Weltkrieg originalgetreu wieder aufgebaut
AmiensFrankreich, Somme174952 m2005Vorgängerbau von 1410; heutiger Bau von 1749; im Zweiten Weltkrieg zerstört und wieder aufgebaut
Antwerpen
(frz. Anvers)
Belgien, Provinz Antwerpen15./16. Jh., 1518 vollendet123 m1999Kirchturm der Liebfrauenkathedrale; prägend für den spätgotischen Flamboyant-Stil; Carillon mit 49 Glocken
AntwerpenBelgien, Provinz Antwerpen1561–15641999Rathaus auf dem Grote Markt erbaut von Cornelis Floris II. im Stil der Renaissance
Armentières
(Armentiers)
Frankreich, Nord1926–193467 m2005Teil des Rathauses; Carillon mit 11 Glocken; Vorgängerbau von 1510; im Ersten Weltkrieg zerstört und dann neu aufgebaut
Arras
(Atrecht)
Frankreich, Pas-de-Calais155475 m2005Rathausturm; nach dem Ersten Weltkrieg originalgetreu rekonstruiert
Bailleul
(Belle)
Frankreich, Nord193262 m2005mittelalterlicher Bau im Ersten Weltkrieg zerstört und nicht originalgetreu rekonstruiert; Carillon mit 35 Glocken
Bergues
(Sint-Winoksbergen)
Frankreich, Nord196154 m2005Ursprünglicher Bau von 1240; 1944 zerstört, 1961 in vereinfachter Form wieder aufgebaut; Carillon mit 50 Glocken. Bekannt wurde er auch durch den Film „Willkommen bei den Sch’tis“.
Béthune
(Betun)
Frankreich, Pas-de-Calais134633 m2005Im Ersten Weltkrieg beschädigt; originalgetreu, aber versetzt wieder aufgebaut; Carillon mit 35 Glocken
BincheBelgien, Hennegau14. Jh.35 m1999Teil des Rathauses
Boulogne-sur-Mer
(Beunen)
Frankreich, Pas-de-Calais18. Jh.47 m2005Ursprünglicher Bau aus dem 12. Jahrhundert; 1712 beschädigt und in heutigen Form wieder aufgebaut
Brügge
(Brugge, frz. Bruges)
Belgien, Westflandern14./15. Jh.; ab 1240 als Holzturm83 m1999Carillon mit 47 Glocken aus dem 17. Jahrhundert
Calais
(Kales)
Frankreich, Pas-de-Calais192575 m2005Beginn der Bauarbeiten im Jahre 1910, Fertigstellung nach dem Ersten Weltkrieg 1925. Architekt Louis Debrouwer aus Dünkirchen (frz. Dunkerque) verwendete eine neue Bautechnik, nämlich die Verwendung von Stahlbeton.
Cambrai
(Kamerijk)
Frankreich, Nord173662,5 m2005Ursprünglicher Bau von 1447–1474; heutiger Bau von 1736
CharleroiBelgien, Hennegau193670 m1999Errichtet im Art-déco-Stil als Teil des Rathauses.
Comines
(Komen)
Frankreich, Nord162358 m2005
Dendermonde
(frz. Termonde)
Belgien, Ostflandern137740,3 m1999Ursprünglich ein Eckturm der Tuchhalle, die 1377 zum Stadthaus erweitert wurde; im Ersten Weltkrieg wurde die gesamte Altstadt schwer beschädigt, dabei ging auch der Carillon verloren, der 1975 durch einen neuen mit 49 Glocken ersetzt wurde; 1925/26 wiederaufgebaut
Diksmuide
(frz. Dixmude)
Belgien, Westflandern1999Belfried und Turm von Sint-Niklaas
Douai
(Dowaai)
Frankreich, Nord1380–147554 m2005Carillon seit 1391, heute mit 62 Glocken eines der größten Europas.
Doullens
(Dorland)
Frankreich, Somme161328 m2005Rathausturm
Dünkirchen
(Duinkerke; frz. Dunkerque)
Frankreich, Nord15. Jh.58 m2005Der Belfried von Dünkirchen war früher integriert als Kirchturm in die St. Eligius-Kirche, seit 1782 freistehend; Carillon mit 50 Glocken
DünkirchenFrankreich, Nord190175 m2005Turm des Hôtel de Ville (Rathauses)
EekloBelgien, Ostflandern1932; Rathaus im 17. Jh. erbaut35 m1999
Gembloux
(Gembloers)
Belgien, Namur35 m2005Saint-Sauveur-Kirche, das Kirchenschiff wurde 1825 abgerissen; Carillon mit 47 Glocken,
Gent
(frz. Gand)
Belgien, Ostflandernum 1313–138095 m1999
Gravelines
(Grevelingen)
Frankreich, Nord160832 m2005
HerentalsBelgien, Provinz Antwerpen153435 m1999frühere Tuchhalle; nach Plänen von Peter Moens und Merten Casus; Carillon mit 50 Glocken
Hesdin
(Heusden)
Frankreich, Pas-de-Calais1563–162970 m2005
Ieper
(dt. Ypern, frz. Ypres)
Belgien, Westflandern1200–123070 m1999Teil der Tuchhallen, zu Beginn des Ersten Weltkrieges schwerstens zerstört, aber seit den 1920er Jahren bis 1967 möglichst originalgetreu rekonstruiert
Kortrijk
(frz. Courtrai)
Belgien, Westflandernälteste Teile von 13071999früher Teil der alten Tuchhalle, seit deren Abriss 1899 freistehend
Löwen
Leuven
(frz. Louvain)
Belgien, Flämisch-Brabant1507–15411999Unvollendeter Kirchturm der Sint-Pieterskerk, der Turm sollte nach Plänen Joost Massys’ ca. 165 Meter, zwei weitere äußere je 136 Meter hoch werden; nach Einstürzen 1570, 1572 und 1603 wurde 1613 der oberste Teil des Turms abgebrochen
Lier
(frz. Lierre)
Belgien, Provinz Antwerpen136942,5 m1999Nach Plänen von Hendrik Mijs; Teil des Rathauses von 1741, jedoch älter; seit 1971 Carillon mit 23 Glocken
Lille
(Rijsel)
Frankreich, Nord1924–1932104 m2005Neubau nach Plänen von Émile Dubuisson im Stil der Art déco, nachdem der alte Turm im Ersten Weltkrieg zerstört worden war
LoBelgien, Westflandern1565–15661999nach Plänen von Joos Staesin im Renaissancestil errichtet; Teil des ehemaligen Rathauses; heute Hotel und Restaurant
LoosFrankreich, Nord188038 m2005nach Plänen von Louis Marie Cordonnier
LucheuxFrankreich, Somme22 m2005
Mechelen
(frz. Malines)
Belgien, Provinz Antwerpen1449–152097,3 m1999Kirchturm der Sint-Rombouts-Kathedrale; nach Plänen von Rombout Keldermans; wegen finanzieller Schwierigkeiten unvollendet, ursprünglich war eine Höhe von 167 Metern geplant; zwei Carillons
MechelenBelgien, Provinz Antwerpen14. Jh.1999unvollendet; ursprünglich Teil der Tuchhalle, die 1526 von Rombout Keldermans zum Rathaus umgewandelt wurde
Menen
(frz. Menin)
Belgien, Westflandern1574–161033 m1999Rathausturm; Carillon mit 49 Glocken
Mons
(Bergen)
Belgien, Hennegau1661–167287 m1999freistehender barocker Turm auf dem Grund einer früheren Burg
Namur
(Namen)
Belgien, Namur1388, 1450 erneuert, 1753 restauriert20,6 m1999
NieuwpoortBelgien, Westflandern192235 m1999Rathaus im Stil der Neorenaissance nach historischem Vorbild rekonstruiert; das ursprüngliche Rathaus wurde im Ersten Weltkrieg zerstört
Oudenaarde
(frz. Audenarde)
Belgien, Ostflandernerste Hälfte des 16. Jh.1999Rathaus mit Belfried im Stil der Brabanter Gotik
Roeselare
(frz. Roulers)
Belgien, Westflandern1999
Rue
(Rouwe)
Frankreich, Somme29 m2005
Saint-Riquier
(Sint-Rikiers)
Frankreich, Somme19 m2005
Sint-Truiden
(frz. Saint-Trond)
Belgien, Limburg16081999
ThuinBelgien, Hennegau163960 m1999ursprünglich der Kirchturm der Kirche Saint-Theobard, die 1811 abgebrochen wurde
TieltBelgien, Westflandern1558–1560; Vorgängerbau 127536 m1999Hallentoren der früheren Tuchhalle; Carillon von 1773 mit 36 Glocken
Tienen
(frz. Tirlemont)
Belgien, Flämisch-Brabant13231999Sint-Germanuskirche mit Stadtturm; Carillon mit 54 Glocken
Tongern
(frz. Tongres)
Belgien, Limburg1442–15441999Turm der Liebfrauenbasilika
Tournai
(Doornik)
Belgien, Hennegauum 120072 m1999Carillon mit 43 Glocken; 1844 neogotisch umgestaltet,
Veurne
(frz. Furnes)
Belgien, Westflandern1617–16281999Stadt- und Landhaus Veurne
Zoutleeuw
(frz. Léau)
Belgien, Flämisch-Brabantab 12311999Kirchturm der Sint-Leonarduskerk; Carillon mit 24 Glocken

Belfriede in Nachbarregionen

StadtRegionGebäudeBauzeitHöheWeltkulturerbe seitBesonderheitenBild
SluisZeeuws Vlaanderen (Seeländisch Flandern)Turm des Rathauses (Commons:Category)ab 1386Rijksmonument 33890einziger Belfried der Niederlande, Turm im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört
KölnRheinland / Nordrhein-WestfalenKölner Ratsturmab 140261 mgehört im Gegensatz zu den älteren Teilen des Rathauses stilistisch der Brabanter Gotik an; Carrillon allerdings wohl erst seit 1958

Neugotik

Eine Renaissance erlebte der Belfried in zahlreichen Rathausbauten, aber auch Postgebäuden, Bahnhöfen und anderen öffentlichen Bauwerken der Neugotik im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, jetzt auch außerhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebietes.

Literatur

Commons: Belfriede von Belgien und Frankreich – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien