Westfälische Dialekte

südwestliche niedersächsische Mundartengruppe innerhalb des Kontinentalwestgermanischen Dialektkontinuums
(Weitergeleitet von Achterhoeks)

Die westfälischen Dialekte (westfälisch Westfäölsk) bilden eine Dialektgruppe innerhalb des Niedersächsischen.

Westfälisch

Gesprochen in

Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Niederlande
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-3

wep

Binnengliederung des Westfälischen

Das westfälische Sprachgebiet (in Dunkeltürkis) und seine Umgebung
Das Westfälische wird in der Regel unterteilt in
1. Ostwestfälisch,
2. Südwestfälisch,
3. Münsterländisch,
4. Westmünsterländisch,

Je nach Definition werden noch hinzugerechnet:
5. Achterhoeks,
10. Twents.
11. Grafschafter Platt,
12. Emsländer Platt,
13. Westerwolds.

Niedersächsische Dialekte in den Niederlanden, die aus deutscher Sicht nicht zum Westfälischen gezählt werden, sind:
6. Veluws
7. Sallands
8. Stellingwerfs
9. Drents.

Innerhalb dieser Dialektgruppe unterscheidet man grob in der Regel vier Mundartgruppen. Dies sind:[1]

  • das Münsterländische,[2] das sich vom Südwestfälischen durch eine andere Entwicklung des aus urgermanisch *au entwickelten offenen langen, zur Unterscheidung ō² geschriebenen, 'o' unterscheidet, so dass es münsterländisch Brod, südwestfälisch Broud oder Braud und standarddeutsch Brot heißt,[3]
  • das Ostwestfälische, das vom Münsterländischen und Südwestfälischen durch die Linie getrennt wird, östlich derer das ē² sich in verschiedene Laute aufgespalten hat (in der Regel ai und äi),[4]
  • das Südwestfälische, das sich vom Münsterländischen durch eine andere Entwicklung des aus urgermanisch *au entwickelten offenen langen, zur Unterscheidung ⟨ō²⟩ geschriebenen, o unterscheidet, so dass es südwestfälisch Broud oder Braud, münsterländisch Brod und standarddeutsch Brot heißt,[5] und
  • das Westmünsterländische,[6] das sich gegenüber dem Münsterländischen und Südwestfälischen durch das Fehlen der Westfälischen Brechung (s. u.) auszeichnet. Dafür stimmt dieser westfälische Dialekt bezüglich seiner Lautentwicklung der mittelniederdeutschen ē- und ō-Laute vielfach mit den angrenzenden niederfränkischen (und niederländischen) Dialekten überein.[7]

Auch einige niedersächsische Dialekte der Niederlande, genauer die Dialekte Twents (dt. Twentisch), Achterhoeks (dt. Achterhoekisch) und Westerwolds, außerdem die südliche Variante des Emsländer Platt und das Grafschafter Platt der Grafschaft Bentheim werden mitunter dem Westfälischen zugeordnet. Im Einzelnen gibt es je nach verwendeten Definitionen Abweichungen.[8]

Abgrenzung des Westfälischen von benachbarten Sprachgebieten

Die Abgrenzung des Westfälischen wird unterschiedlich vorgenommen. Traditionell werden die Gebiete

  • der „Westfälischen Brechung“, der Diphthongierung der alten Kurzvokale in offener Silbe wie in iäten ‚essen‘, wieten ‚wissen‘, iems ‚Ems‘, uapen ‚offen‘, Fuegel ‚Vogel‘ genannt. In einigen Gegenden werden auch die Langvokale – wie auch im Ostfälischen – diphthongiert. Triphthonge kommen vor.
  • Die Verwendung der Wörter küern ‚reden, sprechen‘ und Rüe ‚Hund‘ wird oft zusätzlich herangezogen.[1]

Doch beschreibt dies eher ein Kerngebiet, da z. B. im Lippischen die Westfälische Brechung fehlt. Daher gibt es auch Abgrenzungen, die einer Linie folgen wollen. So werden die

  • Unterscheidung des alten langen a wie in Rot ‚Rat‘ vom später gedehnten a wie in Sake ‚Sache‘ im Nordosten,
  • die Weser im Osten,
  • das Isoglossenbündel der Zweiten Lautverschiebung, das den niederdeutschen und mitteldeutschen Sprachraum trennt, im Süden,
  • im Südwesten die Grenze der Westfälischen Brechung und
  • im Westen die niederländische Staatsgrenze genannt, da die deutsche Forschung im Gegensatz zur niederländischen oft die Betrachtung der dortigen Dialekte ausschließt.[9][1]

Eine andere Variante ist die Abgrenzung nach folgenden Grenzen:

  • Im Norden wird nördlich der Isoglosse gebruaken: gebroken ein allmählicher Übergang angenommen.
  • Im Osten (abgrenzend vom Ostfälischen) wird die Grenze anhand der Isoglosse di: dik festgelegt.
  • Im Süden (abgrenzend vom Mitteldeutschen bzw. Westmitteldeutschen) wird wieder das Isoglossenbündel der Zweiten Lautverschiebung als Grenze genannt, während
  • im Westen der Gegensatz von mähe(n) und mähet, also die Verbreitung des niedersächsischen Einheitsplurals, das Westfälische vom Niederfränkischen trennen soll.[10]

Solche Unterschiede erklären auch die unterschiedlichen Abgrenzungen der nebenstehenden Karten.

Grammatik

Deklination

Im Großteil des niederdeutschen Sprachraums sind Akkusativ und Dativ zu einem Objektfall zusammengefallen. Im Westfälischen gilt das nach Grimme (1910, S. 58f) nur regional: Im Südwestfälischen (Assinghausen) ist der Dativ bewahrt, im Münsterländischen (Ostbevern) ist der Dativ mit dem Akkusativ zusammengefallen. Wie im Restniederdeutschen gibt es Genitivbildungen nur noch in Resten in formelhaften Wendungen.[11]

Substantive

Nach Grimme (1910, S. 61f.),[11] bezogen auf Südwestfälisch (Assinghausen -- A) und Münsterländisch (Ostbevern):

m.n.f.pl.
nom.-∅, -e-∅, -e-e(¨)-e, ¨-er, -es, -en, -ens
dat. (nur A)-e, -en-e, -en-e, -en(¨)-en, ¨-ern, -es
akk.-∅, -e, -en-∅, -e, -en-en(¨)-e, ¨-er, -es, -en, -ens

(¨ bezeichnet Umlaut)

Adjektive

Nach Grimme (1910, S. 68), bezogen auf Südwestfälisch (Assinghausen -- A) und Münsterländisch (Ostbevern -- O):

m.n.f.pl.
bestimmt
nom.-e-e-e-e
dat. (nur A)-e, -en-e, -en-e, -en-en
akk.-en-en-en-e
unbestimmt
nom.-en-

(A: auch -te)

-e-e
dat. (nur A)-em (-en)-em (-en)-er-en
akk.-en-

(A: auch -te)

-e-e

Die Endung -te tritt nur an, wenn das Adjektiv nominalisiert wird: mei ok ente „mir auch eins“ (Assinghausen, Grimme 1910, S. 68f).[11]

Steigerung erfolgt mit -er (Komparativ) und -ste (Superlativ) (Grimme 1910, S. 68, für Assinghausen und Ostbevern).[11]

Personalpronomen

Nach Grimme (1910, S. 64f.), bezogen auf Südwestfälisch (Assinghausen -- A) und Münsterländisch (Ostbevern -- O):[11]

1.sg.2.sg.3.sg.m3.sg.n.3.sg.f1.pl.2.pl.3.pl.refl.
nom.ik, ikkeA: deä (-de, -te)

O: du (-de)

A: hai (-he)

O: häi (-he)

A: iet (-et, -t)

O: et (-t)

A: sai (-se)

O: säi (-se)

A: säi

O: wi

A: äi

O: ji (-ji, -e)

A: sai (-se)

O: säi (-se)

dat.A: mäi

(O: mi)

A: däi

(O: di)

A: iemme (-me)

(O: em)

A: iemme (-me)

(O: et, -t)

A: ier

(O: üör)

usA: uch

(O: ju)

A: ienne (-ne)

O: üör

A: säi (m), ierk (f, pl)

(O: sik)

akk.A: mik

O: mi

A: dik

O: di

A: ienne (-ne)

O: em

A: iet

O: et (-t)

A: sai (-se)

O: üör

usA: uch

O: ju

A: sai (-se)

O: säi (-se)

A: sik (sg), ierk (pl)

O: sik

Nach Grimme (1910, S. 73) flektieren Possessivpronomen wie unbestimmte (starke) Adjektive.[11]

Demonstrativpronomen

Nach Grimme (1910, S. 73f), bezogen auf Südwestfälisch (Assinghausen -- A) und Münsterländisch (Ostbevern -- O):[11]

einfacheszusammengesetztes
nom.sg.A: dai, dat

O: däi, dat

düsse, düt
dat.sg.A: diem, dier, diem

(O: den, däi, dat)

A: düm, dür

(O: düssen, düsse, düt)

akk.sg.A: dai

O: däi

düssen (A) / dün (O), düsse, düt
nom.pl
dat.pl
akk.pl

Beschreibung des Westfälischen

Das Westfälische hat zahlreiche altertümliche grammatische Formen und Aussprachegewohnheiten bewahrt.[12]

In der verschriftlichten Form gibt es keine normierten Rechtschreibregeln; geschrieben wird meist nach phonetischen Gesichtspunkten. Für das Münsterländische und für das Ostwestfälische im Ravensberger Land gibt es jedoch ausgearbeitete Schreibweisen.[13]

Der Wortschatz des Westfälischen wird im Westfälischen Wörterbuch (Westfälisch in Nordrhein-Westfalen) und im Niedersächsischen Wörterbuch (Westfälisch in Niedersachsen) beschrieben. Das Westfälische Wörterbuch wird von der Mundartkommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von einem einzigen Mitarbeiter bearbeitet. Dieses wurde mit dem letzten Band im Jahr 2021 von Robert Damme abgeschlossen.[14][15]

Siehe auch

Literatur

  • Jürgen Macha/Elmar Neuss/Robert Peters (Hrsg.): Rheinisch-westfälische Sprachgeschichte. Köln/Weimar/Wien 2000.
  • Daniela Twilfer: Dialektgrenzen im Kopf. Der westfälische Sprachraum aus volkslinguistischer Perspektive. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-89534-903-4.
  • Friedhelm Kopshoff: döt on dat - van allem wat op Platt ut Alt-Velbert, Langenberg, Neviges, Heiligenhaus und Wülfrath, Scala Verlag Velbert, 2013.
  • Friedrich Wilhelm Grimme: Suerländsk Platt (= Wilhelm Uhlmann-Bixterheide [Hrsg.]: Ausgewählte Werke. Band 2). Verlag Fr. Wilh. Ruhfus, Dortmund 1921, DNB 366026070.
  • Horst Ludwigsen: Plattdüütsch Riägelbauk. Eine nicht nur trockene, sondern manchmal sogar vergnügliche Sprachlehre und Stilkunde zur westfälisch-märkischen Mundart. Altena 1990, ISBN 3-925211-04-7 (Lehr- und Lernbuch).
  • Christine Koch: Gedichte in sauerländischer Mundart. Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe (Hrsg.), 1997, DNB 989514080.
  • Schützengesellschaft Schmallenberg, Schützenbruderschaft Grafschaft (Hrsg.): Plattdeutsches Wörterbuch für Schmallenberg und Grafschaft. 160 Seiten, Druck: Stadt Schmallenberg, 2005.
  • Reinhard Pilkmann-Pohl: Plattdeutsches Wörterbuch des kurkölnischen Sauerlandes. Hrsg.: Sauerländer Heimatbund e.V. Strobel-Verlag, Arnsberg 1988, ISBN 3-87793-024-7 (Online im Archiv [PDF; 8,3 MB; abgerufen am 1. April 2020]). Abrufbar auch in besserer Qualität: Mundartenarchiv. Sauerländer Heimatbund, archiviert vom Original am 7. Februar 2011;.
  • Werner Beckmann (Hrsg.) und Sauerländer Heimatbund (Hrsg.): Sauerländer Platt: Ein Wörterbuch, WOLL-Verlag Kückelheim 2019, ISBN 3-943681-99-8.
  • Ambrosius Bertels: Säo kuiert man in Stoanhiusen. ein Wörterbuch mit Redensarten, Sprich- und Sagewörtern in Steinhäuser Platt. Heimatverein Steinhausen, Paderborn 1995.
  • Ferdinand Liekmeier unter Mitwirkung des Heimatvereins Scharmede: Das Scharmeder Platt. Eine Dokumentation des ostwestfälischen Platt in der speziellen Sprechweise der Gemeinde Scharmede. Heimatverein Scharmede, Scharmede 1987.
  • Therese Pöhler in Verbindung mit dem Westfälischen Heimatbund (Hrsg.): Plattdeutsch im Hochstift Paderborn mit den Kreisen Paderborn, Büren, Warburg, Höxter und dem Corveyer Land. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1957.
  • Robert Peters, Valentina Djatlowa: Wörterbuch des Verler Platt. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2003, ISBN 3-89534-495-8.
  • Erwin Möller: Segg et up Platt: niederdeutsches Wörterbuch in der Ravensberger Mundart. 2. überarb. und erg. Auflage. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2005, ISBN 3-89534-534-2.
  • Lippischer Heimatbund (Hrsg.): Wörterbuch Hochdeutsch – Lippisches Plattdeutsch. bearbeitet von Sabine Schierholz nach der Vorlage von Fritz Platenau. Lippischer Heimatbund, Detmold 2003, ISBN 3-926311-90-8. (online auf: kinder-lippe.de)
  • Fritz Platenau: Plattdeutsches Wörterbuch in Istruper Mundart. im Auftrag des Lippischen Heimatbundes ges. und bearbeitet. Lippischer Heimatbund, Detmold 1978, DNB 800922905.
  • Johan Gilges Rosemann genannt Klöntrup: Niederdeutsch-westphälisches Wörterbuch. Bearb. von Wolfgang Kramer; Hermann Niebaum; Ulrich Scheuermann. Lax, Hildesheim 1982–1984, 2 Bände, ISBN 3-8269-3646-9, ISBN 3-8269-3647-7 (Erstausgabe der Handschrift aus dem 19. Jh.)
  • Hermann Jellinghaus: Westfälische Grammatik: die Laute und Flexionen der Ravensbergischen Mundart mit einem Wörterbuche. Sändig Reprint Verlag Wohlwend, Vaduz/Liechtenstein: 2001, ISBN 3-253-02411-3. Neudruck der Ausgabe von 1877 (online auf: archive.org)
Wiktionary: Westfälisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Textbeispiele:

Einzelnachweise