Bundesregierung (Österreich)

Regierung Österreichs

In Österreich ist gemäß Bundes-Verfassungsgesetz die Bundesregierung neben dem Bundespräsidenten eines der obersten Organe der Bundesverwaltung. In ihrer Gesamtheit ist sie ein Kollegialorgan, das durch Beschlüsse entscheidet. Ihre Mitglieder sind der Bundeskanzler, der Vizekanzler und die Bundesminister. Die im Zusammenhang mit der Regierung oft genannten Staatssekretäre sind formal nicht Regierungsmitglieder, sondern Hilfsorgane der Minister, ebenso die Kabinettschefs. Nicht alle Minister leiten auch ein Ministerium.

Bundesregierung
Wappen der Republik ÖsterreichBundeskanzleramt
Sitz der Regierung
Wappen der Republik ÖsterreichBundeskanzleramt Sitz der Regierung
StellungEines der obersten Organe des Bundes
StaatsgewaltExekutive
Gründung30. Oktober 1918 prov. Staatsreg.;
1. Okt. 1920 B-VG (Inkrafttreten 10. Nov.);
20. Nov. 1920 Ernennung erste Bundesregierung;
(ursprünglich 1760 als Staatsrat begründet)
SitzWien 1, Ballhausplatz
VorsitzBundeskanzler Karl Nehammer
BestandsgarantieArt. 69 Abs. 1 B-VG
Websitewww.bundesregierung.at

Funktion und Stellung im politischen System

Ernennung und Entlassung

Die Bundesregierung wird seit 1929 vom Bundespräsidenten ernannt (bis dahin wurde sie seit 1920 vom Nationalrat gewählt), wobei er bei der Ernennung des Bundeskanzlers an keine rechtlichen Vorgaben gebunden ist. Bei der Ernennung der übrigen Mitglieder der Bundesregierung ist er auf den Vorschlag des Bundeskanzlers angewiesen (wobei er die Ernennung jedoch verweigern kann). Mit ihrer Ernennung und Angelobung ist die Regierung unmittelbar voll funktionsfähig. Eine gesonderte Bestätigung durch den Nationalrat ist nicht erforderlich. Da jedoch der Bundespräsident infolge eines Misstrauensvotums des Nationalrats verpflichtet wäre, die Bundesregierung zu entlassen, sind die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse bei ihrer Ernennung von ausschlaggebender Bedeutung. (Bei Nationalratswahlen pflegen die Parteien ihre Spitzenkandidaten als künftige Bundeskanzler zu bewerben; dies stellt sich in der Realität je nach Wahlergebnis als Vorgabe für den Bundespräsidenten dar.)

Von dieser rechtlichen Verpflichtung abgesehen, kann der Bundespräsident den Bundeskanzler oder die gesamte Bundesregierung jederzeit entlassen. (Dies wäre allerdings nur sinnvoll, wenn der Bundespräsident sicher sein kann, dass die von ihm angepeilte Alternative vom Nationalrat akzeptiert wird.) Die Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung ist wie ihre Ernennung an den Vorschlag des Kanzlers gebunden und findet formal auch dann statt, wenn Minister von sich aus ihren Rücktritt erklären.

Rechtsstellung der Bundesregierung

Sitzungssaal des Ministerrates

Die Bundesregierung[1] ist in ihrem Wirkungsbereich eine als Kollegial- oder Gesamtorgan eingerichtete Verwaltungsbehörde.[2] Zur Beschlussfassung tritt sie im sogenannten „Ministerrat“ zusammen.[3] Bei Beschlüssen müssen mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend sein. Obwohl dies ursprünglich rechtlich nicht gesondert festgelegt wurde, müssen in der politischen Praxis Beschlüsse einstimmig getroffen werden.[4] Dies entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.[5] In Hinblick auf diese Konventionalregel stellte Staatskanzler Karl Renner 1945 zwei kommunistischen Regierungsmitgliedern, die einen Beschluss nicht mittragen wollten, den Austritt aus der Regierung anheim, worauf diese keinen Einspruch mehr erhoben. Seit 2020 ist das Einstimmigkeitsprinzip in Artikel 69 Abs. 3 B-VG auch verfassungsrechtlich verankert.[6]

Die Protokolle des Ministerrates sind seit dem 30. August 2016 öffentlich auf der Website des Bundeskanzleramtes einsehbar.[7]

Rechtsstellung der Regierungsmitglieder

Der österreichische Bundeskanzler ist Vorsitzender der Bundesregierung (im Sinne eines primus inter pares).[8] Eine formale Richtlinienkompetenz oder ein Weisungsrecht des Regierungschefs gegenüber den Ministern sieht das österreichische Regierungssystem nicht vor. Seine Rechtsstellung innerhalb der Bundesregierung wird jedoch durch sein Vorschlagsrecht bei der Ernennung und Entlassung ihrer einzelnen Mitglieder gestärkt. Seine politische Stellung hängt davon ab, ob er die Alleinregierung einer Partei führt oder auf seine Koalitionspartner Rücksicht nehmen muss.

Neben dem Bundespräsidenten und der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit gehören auch ihre einzelnen Mitglieder (d. h. Bundeskanzler, Vizekanzler sowie Bundesminister) zu den obersten Organen der Bundesverwaltung (monokratische Organe). Als solche sind sie selbst nur an Beschlüsse der Bundesregierung – repräsentiert im Ministerrat – gebunden, und ansonsten weisungsfrei, d. h. keinerlei Auftrag von wem immer unterworfen, und nur sie den ihnen untergeordneten Behörden gegenüber weisungsbefugt (Ressortprinzip). Nicht als rechtlicher, wohl aber als politischer Auftrag ist es zu verstehen, wenn der Nationalrat einen Bundesminister durch eine Entschließung dazu auffordert, in einem bestimmten Sinn tätig zu werden, z. B. einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Zur Unterstützung in den Amtsgeschäften können den Bundesministern Staatssekretäre beigegeben werden, die als Hilfsorgane des jeweiligen Bundesministers fungieren und damit ihm gegenüber weisungsgebunden sind. Sie sind rechtlich keine Mitglieder der Bundesregierung, haben als solche auch kein Stimmrecht, nehmen jedoch an Regierungssitzungen teil. In Koalitionsregierungen werden Bundesministern nicht selten Staatssekretäre der jeweils anderen Regierungspartei beigegeben. In diesem Fall bleibt die Weisungsgebundenheit des Staatssekretärs Theorie; in der Praxis fungiert er quasi als politischer „Aufpasser“ der Partei, die das Ressort nicht führt.


Bundesregierungen (Kabinette) der Republik

Siehe auch: Liste der Bundeskanzler der Republik Österreich

Erste Republik (1918–1934) und Bundesstaat (1934–1938)

Staatsregierungen wurden 1918–1920 gewählt:

Bundesregierungen bestanden vom 10. November 1920 (Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes, siehe Bundesregierung Mayr I) bis zum 13. März 1938 (Inkrafttreten des „Anschlusses“ an das Deutsche Reich)

Die Bundesregierung Dollfuß regierte vom 5. März 1933 an ohne Parlament, schaltete im Zusammenhang mit den Februarkämpfen am 12. Februar 1934 die Opposition aus und setzte am 1. Mai 1934 die autoritäre Verfassung des Bundesstaates Österreich in Kraft. Außerdem wurden alle Parteien neben der Vaterländischen Front (VF) als Einheitspartei verboten, sodass alle folgenden Regierungen formal VF-Regierungen waren.

Zweite Republik (seit 1945)

Die Provisorische Staatsregierung Renner 1945 amtierte ohne parlamentarische Kontrolle vom 27. April 1945 (Österreichische Unabhängigkeitserklärung) bis zum 20. Dezember 1945 und bereitete die Nationalratswahl vom 25. November 1945 vor. Sie wurde von der Bundesregierung Figl I abgelöst, die vom 20. Dezember 1945 (dem Tag des vollen Inkrafttretens des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nach dem Zweiten Weltkrieg) an amtierte.

Bundesregierungen der Zweiten Republik
RegierungErnennungEnthebung nach
Rücktritt[9]
Betrauung gem.
Art. 71 B-VG*) bis[9]
Dauer
der Amtszeit
Wahltag**)Dauer der
Regierungs-
bildung**)
Koalition / Parteien
Regierung Renner1)27. Apr. 194520. Dez. 1945237 Tage
(0,65 Jahre)
1)1)ÖVPSPÖKPÖ
Regierung Figl I2)20. Dez. 194511. Okt. 19498. Nov. 19491419 Tage
(3,89 Jahre)
25. Nov. 194525 TageÖVPSPÖKPÖ2)
Regierung Figl II8. Nov. 194928. Okt. 19521085 Tage
(2,97 Jahre)
9. Okt. 194930 TageÖVPSPÖ
Regierung Figl III28. Okt. 195225. Feb. 19532. Apr. 1953156 Tage
(0,43 Jahre)
ÖVPSPÖ
Regierung Raab I2. Apr. 195314. Mai 195629. Juni 19561184 Tage
(3,24 Jahre)
22. Feb. 195339 TageÖVPSPÖ
Regierung Raab II29. Juni 195612. Mai 195916. Juli 19591112 Tage
(3,05 Jahre)
13. Mai 195647 TageÖVPSPÖ
Regierung Raab III16. Juli 19593. Nov. 1960476 Tage
(1,30 Jahre)
10. Mai 195967 TageÖVPSPÖ
Regierung Raab IV3. Nov. 196011. Apr. 1961159 Tage
(0,44 Jahre)
ÖVPSPÖ
Regierung Gorbach I11. Apr. 196120. Nov. 196227. März 1963715 Tage
(1,96 Jahre)
ÖVPSPÖ
Regierung Gorbach II27. März 19632. Apr. 1964372 Tage
(1,02 Jahre)
18. Nov. 1962129 TageÖVPSPÖ
Regierung Klaus I2. Apr. 196425. Okt. 196519. Apr. 1966747 Tage
(2,05 Jahre)
ÖVPSPÖ
Regierung Klaus II19. Apr. 19663. März 197021. Apr. 19701463 Tage
(4,01 Jahre)
6. März 196644 TageÖVP
Regierung Kreisky I3)21. Apr. 197019. Okt. 19714. Nov. 1971562 Tage
(1,54 Jahre)
1. März 197051 TageSPÖ
Regierung Kreisky II4. Nov. 19718. Okt. 197528. Okt. 19751454 Tage
(3,98 Jahre)
10. Okt. 197125 TageSPÖ
Regierung Kreisky III28. Okt. 19759. Mai 19795. Juni 19791316 Tage
(3,61 Jahre)
5. Okt. 197523 TageSPÖ
Regierung Kreisky IV5. Juni 197926. Apr. 198324. Mai 19831449 Tage
(3,97 Jahre)
6. Mai 197930 TageSPÖ
Regierung Sinowatz24. Mai 198316. Juni 19861119 Tage
(3,07 Jahre)
24. Apr. 198330 TageSPÖFPÖ
Regierung Vranitzky I16. Juni 198625. Nov. 198621. Jän. 1987219 Tage
(0,60 Jahre)
SPÖFPÖ
Regierung Vranitzky II21. Jän. 19879. Okt. 199017. Dez. 19901426 Tage
(3,91 Jahre)
23. Nov. 198659 TageSPÖÖVP
Regierung Vranitzky III17. Dez. 199011. Okt. 199429. Nov. 19941443 Tage
(3,95 Jahre)
7. Okt. 199071 TageSPÖÖVP
Regierung Vranitzky IV29. Nov. 199418. Dez. 199512. März 1996469 Tage
(1,28 Jahre)
9. Okt. 199451 TageSPÖÖVP
Regierung Vranitzky V12. März 199620. Jän. 199728. Jän. 1997322 Tage
(0,88 Jahre)
17. Dez. 199586 TageSPÖÖVP
Regierung Klima28. Jän. 19975. Okt. 19994. Feb. 20001102 Tage
(3,02 Jahre)
SPÖÖVP
Regierung Schüssel I4. Feb. 200028. Nov. 200228. Feb. 20031120 Tage
(3,07 Jahre)
3. Okt. 1999124 TageÖVPFPÖ
Regierung Schüssel II4)28. Feb. 20033. Okt. 200611. Jän. 20071413 Tage
(3,87 Jahre)
24. Nov. 200296 TageÖVPFPÖ/BZÖ4)
Regierung Gusenbauer11. Jän. 20072. Dez. 2008691 Tage
(1,89 Jahre)
1. Okt. 2006102 TageSPÖÖVP
Regierung Faymann I2. Dez. 20081. Okt. 201316. Dez. 20131840 Tage
(5,04 Jahre)
28. Sep. 200865 TageSPÖÖVP
Regierung Faymann II16. Dez. 20139. Mai 201617. Mai 2016883 Tage
(2,42 Jahre)
29. Sep. 201378 TageSPÖÖVP
Regierung Kern17. Mai 201617. Okt. 201718. Dez. 2017580 Tage
(1,59 Jahre)
SPÖÖVP
Regierung Kurz I5)18. Dez. 201728. Mai 20196)[10][11]526 Tage
(1,44 Jahre)
15. Okt. 201764 TageÖVPFPÖ
ÖVPExperten5)
Einstweilige
Bundes­regierung Löger
*)6)[10][11]
28. Mai 2019[10][11]3. Juni 2019*)6 Tage
(0,02 Jahre)
ÖVPExperten6)
Regierung Bierlein7)3. Juni 20191. Okt. 20197. Jän. 2020218 Tage
(0,60 Jahre)
Beamte
Regierung Kurz II7. Jän. 202011. Okt. 20218)643 Tage
(1,76 Jahre)
29. Sep. 2019100 TageÖVPGRÜNE
Regierung Schallenberg11. Okt. 20216. Dez. 202156 Tage

(0,19 Jahre)

ÖVPGRÜNE
Regierung Nehammer6. Dez. 2021lfd.ÖVPGRÜNE

Zeitleiste Bundesregierungen, Bundeskanzler und Vizekanzler seit 1945

Werner KoglerClemens JablonerHartwig LögerHeinz-Christian StracheWolfgang BrandstetterReinhold MitterlehnerMichael SpindeleggerJosef PröllWilhelm MoltererHubert GorbachHubert GorbachHerbert HauptSusanne Riess-PasserWolfgang SchüsselErhard BusekJosef RieglerAlois MockNorbert StegerFred SinowatzHannes AndroschRudolf HäuserHermann WithalmFritz BockBruno PittermannAdolf SchärfKarl NehammerAlexander SchallenbergSebastian KurzBrigitte BierleinSebastian KurzChristian KernWerner FaymannAlfred GusenbauerWolfgang SchüsselViktor KlimaFranz VranitzkyFred SinowatzBruno KreiskyJosef KlausAlfons GorbachJulius RaabLeopold FiglKarl RennerBundesregierung NehammerBundesregierung SchallenbergBundesregierung Kurz IIBundesregierung BierleinBundesregierung Kurz IBundesregierung KernBundesregierung Faymann IIBundesregierung Faymann IBundesregierung GusenbauerBundesregierung Schüssel IIBundesregierung Schüssel IBundesregierung KlimaBundesregierung Vranitzky VBundesregierung Vranitzky IVBundesregierung Vranitzky IIIBundesregierung Vranitzky IIBundesregierung Vranitzky IBundesregierung SinowatzBundesregierung Kreisky IVBundesregierung Kreisky IIIBundesregierung Kreisky IIBundesregierung Kreisky IBundesregierung Klaus IIBundesregierung Klaus IBundesregierung Gorbach IIBundesregierung Gorbach IBundesregierung Raab IVBundesregierung Raab IIIBundesregierung Raab IIBundesregierung Raab IBundesregierung Figl IIIBundesregierung Figl IIBundesregierung Figl IProvisorische Staatsregierung Renner 1945


Siehe auch

Einzelnachweise

Abgerufen von „https:https://www.search.com.vn/wiki/index.php?lang=de&q=Bundesregierung_(Österreich)&oldid=241778313
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